Offenbarung
die
Schlacht, die immer weiter hinter ihm zurückblieb.
Lichtnelken erblühten und erloschen erst nach vielen Sekunden
so langsam und zögernd wie Violinakkorde. Die Lichter
konzentrierten sich auf einen begrenzten, ungefähr
kugelförmigen Bereich, in dessen Zentrum sich der Planet befand.
Ringsum herrschte tiefe Finsternis. Das langsame Aufflammen und
Verblassen war angenehm willkürlich und weckte Erinnerungen
– wahrscheinlich aus zweiter Hand – an Meereswesen, die auf
dem Grund des Ozeans über biolumineszierende Muster miteinander
kommunizierten. Als fände hier keine Schlacht statt, sondern
eine intime Versammlung, die die Hartnäckigkeit des Lebens in
den kalten, lichtlosen Tiefen des Meeres feiern wollte.
In den ersten Phasen des Raumkriegs im System p Eridani A war der
Kampf unter dem Paradigma maximaler Tarnung geführt worden. Alle
Parteien, Unterdrücker wie Menschen, hatten ihre
Aktivitäten verschleiert, indem sie Antriebe, Instrumente und
Waffen verwendeten, die ihre Energien – wenn überhaupt
– nur in die schmalen Blindbereiche zwischen den üblichen
Bändern abstrahlten. Remontoire hatte diese Art der
Kriegsführung mit zwei Männern verglichen, die auf
Zehenspitzen durch einen dunklen Raum schlichen und nahezu
willkürlich um sich stachen. Wenn ein Mann verwundet wurde,
durfte er nicht aufschreien, um seinen Standort nicht zu verraten. Er
durfte auch nicht bluten und der Klinge keinen spürbaren
Widerstand bieten. Und wenn der andere zustach, musste er die Klinge
sofort zurückziehen, um seine eigene Position nicht
preiszugeben. Ein treffendes Bild, nur war der Raum Lichtstunden
groß, die Männer waren Raumschiffe mit menschlichen
Piloten und Wolfsmaschinen, und die Waffen entwickelten mit jeder
Finte, jeder Parade mehr Schlagkraft und größere
Reichweite. Die Schiffe hatten die Temperatur ihrer Rümpfe der
Kälte des Weltalls angepasst, die Emissionen aus ihren
Triebwerken getarnt und Waffen verwendet, die unbemerkt durch die
Dunkelheit gleiten und ebenso diskret töten konnten.
Doch irgendwann, das war unvermeidlich, hatte einer der Gegner die
Tarnstrategie aufgegeben. Und wenn einer damit anfing, mussten die
anderen folgen. Nun lautete die Devise dieses Krieges nicht mehr
Tarnung, sondern maximale Transparenz. Man warf hemmungslos Waffen,
Maschinen und Energien ins Gefecht.
Scorpio musste in seiner Beobachtungskapsel an eine Bemerkung
denken, die Clavain immer wieder gemacht hatte, wenn er von
außen einen Kampf beobachtete: Der Krieg war schön, wenn
man das Glück hatte, nicht darin verwickelt zu sein. Krieg war
Lärm und Wildheit, Farbe und Bewegung, ein Massenansturm auf die
Sinne. Er war bravourös und dramatisch, er nahm einem den Atem,
er war aufregend und romantisch. Vorausgesetzt, man war nur
Zuschauer. Doch diesmal waren er und die Seinen nicht unbeteiligt,
dachte Scorpio. Sie hatten zwar an der Schlacht um Ararat nicht
direkt teilgenommen, aber ihr Schicksal wurde wesentlich von deren
Ausgang bestimmt. Und den hatte zu einem großen Teil er,
Scorpio, zu verantworten. Er hatte sich geweigert, Remontoire
sämtliche Weltraumgeschütze zu überlassen, und nun
konnte Remontoire nicht garantieren, dass es ihm gelingen würde,
den Feind von dem Lichtschiff und seinen Insassen abzulenken.
Von der Konsole kam ein Signal. Soeben war eine Gravitationswelle
mit ihrem eigentümlichen Zirpen an der Sehnsucht nach
Unendlichkeit vorbeigerast.
»Das war’s«, sagte Vasko leise und sachlich.
»Das letzte Weltraumgeschütz, falls wir uns nicht
verzählt haben.«
»Es war nicht geplant, dass er sie so schnell
verbrauchte«, sagte Khouri. Sie saß mit in der
Beobachtungskapsel und hielt Aura in den Armen. »Ich
fürchte, da ist etwas schief gelaufen.«
»Warten wir’s ab«, sagte Scorpio. »Vielleicht
hat Remontoire auch nur eine bessere Strategie gefunden und
ändert deshalb den Plan.«
Sie sahen einen Strahl – er streute nach der Seite sichtbares
Licht und war deshalb sogar im Vakuum zu erkennen – mit
gemächlicher Eleganz durch die Kampfarena gleiten. Es war ein
fast schon obszöner Anblick, wie er sich gleich einer Zunge nach
einem unsichtbaren Wolfsziel auf der anderen Seite ausstreckte.
Scorpio wollte sich gar nicht vorstellen, wie grell dieser Strahl aus
der Nähe sein musste, wenn er sogar von hier aus ohne optische
Vergrößerung und Helligkeitsverstärkung zu erkennen
war. Er hatte alle Lichter in der Beobachtungskapsel ausgeschaltet
und auch die Navigationsanzeigen
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