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Offenbarung

Offenbarung

Titel: Offenbarung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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keine
orthodoxen Wissenschaftler ohne religiöse Überzeugung in
die Nähe. Und die Ultras stecken die Nase auch nicht zu tief
hinein, weil sie mit dem Export nutzloser Flitzerfunde gute
Geschäfte machen. Aber wir müssen mehr erfahren.«
    »Mehr«, sagte Aura und lachte.
    »Wenn sie weiß, dass wir dorthin fliegen sollen, dann
könnte sie uns doch auch den Grund dafür nennen«,
sagte Scorpio und deutete mit einem Nicken auf das silbrig graue
Bündel. »Das Wissen muss doch irgendwo da drin versteckt
sein?«
    »Sie kennt den Grund nicht«, sagte Khouri.
    »Heißt das, sie will noch nicht darüber reden,
oder sie wird ihn nie erfahren?«
    »Weder noch, Scorp. Es heißt nur, das Wissen noch nicht
abrufbar ist.«
    »Das verstehe ich nicht«, sagte er.
    »Ich habe dir doch erzählt, was Valensin sagte: Er sieht
sich Aura jeden Tag an, und jeden Tag sieht er sie in einem anderen
Entwicklungsstadium. Wäre sie ein normales Kind, dann wäre
sie noch nicht geboren. Sie könnte nicht sprechen. Sie
könnte nicht einmal selbst atmen. An manchen Tagen besitzt sie
die Sprachkompetenz einer Dreijährigen. Dann wieder benimmt sie
sich, als wäre sie noch kein Jahr alt. Ihre Hirnstrukturen
kommen und gehen wie die Wolken am Himmel. Sie verändert sich
sogar, während wir hier sitzen. Ihr Kopf ist wie ein Hochofen.
Wenn du dir das alles vor Augen hältst, findest du es dann
wirklich so verwunderlich, dass sie dir nicht genau sagen kann, wieso
wir nach Hela fliegen müssen? Genauso gut könntest du ein
Kind fragen, warum es etwas zu essen braucht. Es kann dir sagen, dass
es Hunger hat. Aber das ist auch alles.«
    »Aber was meinst du mit ›abrufbar‹?«
    »Es ist alles in ihr drin«, sagte Khouri. »Alle
Antworten oder zumindest alles, was wir wissen müssen, um die
Antworten selbst zu finden. Aber es ist verschlüsselt, so dicht
gepackt, dass es selbst vom Gehirn eines zwei oder dreijährigen
Kindes nicht decodiert werden könnte. Sie muss erst älter
werden, um mit den Erinnerungen etwas anfangen zu
können.«
    »Du bist älter«, sagte Scorpio. »Du kannst in
ihren Kopf schauen. Warum rufst du das Wissen nicht ab?«
    »So funktioniert das nicht. Ich sehe nur, was sie versteht.
Was ich empfange, ist – jedenfalls meistens – die Sicht
eines Kindes. Einfach, kristallklar und hell. In Primärfarben
gehalten.« Ihr Lächeln blitzte durch das Dunkel. »Du
müsstest einmal sehen, wie bunt die Farben für ein Kind
sind.«
    »Ich konnte Farben noch nie sehr gut sehen.«
    »Könntest du einmal fünf Minuten lang nicht daran
denken, dass du ein Schwein bist?«, fragte Khouri. »Es
wäre wirklich sehr viel einfacher, wenn wir uns nicht immer
wieder an diesem Punkt festfahren würden.«
    »Ich komme einfach nicht darüber hinweg. Tut mir Leid,
wenn ich dich damit vor den Kopf stoße.«
    Er hörte sie seufzen. »Ich sag doch nur eines, Scorpio.
Wir können nicht wissen, wie wichtig Hela ist, wenn wir nicht
hinfliegen. Wir dürfen nicht gleich aus allen Rohren ballern,
sondern müssen uns vorsichtig herantasten. Wir müssen uns
zuerst selbst darüber klar werden, was wir wollen, und dann
danach fragen. Und wenn wir uns entschließen, es uns mit Gewalt
zu holen, muss es beim ersten Versuch klappen. Doch vor allem
müssen wir dorthin.«
    »Und wenn es das Schlimmste wäre, was wir tun
könnten? Wenn das alles nur eine Falle ist, um den
Unterdrückern die Arbeit zu erleichtern?«
    »Sie arbeitet nicht für sie, Scorp, sie steht auf
unserer Seite.«
    »Das ist nur eine Hypothese.«
    »Sie ist meine Tochter. Glaubst du nicht, dass ich
spüren würde, wenn sie etwas im Schilde
führte?«
    Vasko unterbrach und berührte Scorpio an der Schulter.
»Ich finde Sie sollten sich das ansehen«, sagte er.
    Scorpio wandte sich dem Bullauge zu und sah sofort, was Vasko
meinte. Es war kein erfreulicher Anblick. Der Strahl des
Weltraumgeschützes wurde abgelenkt wie ein Lichtstrahl, der auf
Wasser traf. Wo er die Richtung änderte, war nichts zu sehen,
aber man brauchte nicht viel Fantasie, um sich vorzustellen, dass
sich dort ein Sammelpunkt von Unterdrückerenergie befand, der
den Strahl vom Kurs abbrachte. Das Geschütz konnte sein Ziel
nicht neu anvisieren und einen zweiten Schuss abgeben – es war
nicht mehr da. Sie konnten sich nur zurücklehnen und abwarten,
was mit dem abgelenkten Strahl passierte.
    Scorpio ahnte, dass er nicht einfach im Dunkel des interstellaren
Raums verschwinden würde, ohne Schaden anzurichten.
    Das war nicht die Art der

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