Offenbarung
installieren. Sie
klebten neu replizierte Mikrofone und Barometer an Wände und
Decken, spulten kilometerweise Kabel ab, zogen sie durch die
natürlichen Adern und Röhren der Anatomie des Captains,
spleißten sie an Knotenpunkten und verflochten sie zu dichten
Strängen, die zu zentralen Verarbeitungspunkten
zurückführten. Sie testeten ihre Geräte, klopften
Verstrebungen und Schotts ab und öffneten und schlossen
Druckschleusen, sodass die Luft von einem Teil des Schiffes in den
anderen rauschte. Der Captain duldete sie nicht nur, sondern
bemühte sich offenbar sogar, ihnen die Arbeit zu erleichtern.
Aber er hatte seine Transformationen nicht immer ganz unter
Kontrolle. Wiederholt wurden faseroptische Kabel durchtrennt;
Mikrofone und Barometer wurden von den Wänden absorbiert und
mussten neu angefertigt werden. Die Techniker nahmen dies mit
stoischer Ruhe hin und kehrten wortlos ins Schiffsinnere zurück,
um den Kilometer Leitung, mit dem sie eben fertig geworden waren,
noch einmal zu verlegen; manchmal wiederholten sie den Prozess sogar
drei- bis viermal, bis sie eine bessere, weniger anfällige
Streckenführung gefunden hatten.
Aber sie fragten kein einziges Mal, warum sie das taten. Scorpio
hatte ihnen erklärt, sie brauchten es nicht zu wissen, und falls
sie doch fragten, würde er ihnen nicht die Wahrheit sagen. Die
würden sie erst erfahren, wenn der Grund für diese Arbeiten
entfiele und wieder halbwegs gesicherte Verhältnisse eingekehrt
wären.
Er jedoch kannte den Grund; er wusste, was geschehen würde,
und sooft er daran dachte, beneidete er die Techniker um ihre
Ahnungslosigkeit.
Hela
2727
Die Gespräche mit den Ultras wurden fortgesetzt. Rachmika
saß dabei und beobachtete. Sie trank Tee und sah zu, wie ihr
fragmentiertes Bild durch die Spiegel schwamm. Jede Stunde brachte
sie der Absolutionsschlucht um mehr als einen Kilometer näher.
Aber im Turmzimmer gab es keine Uhren, und so konnte sie nicht mit
Sicherheit sagen, wie viel Zeit jeweils verging.
Nach jedem Gespräch berichtete sie Quaiche, was sie zu sehen
geglaubt hatte, wobei sie sich bemühte, nichts
auszuschmücken, aber auch nichts zu übersehen, was wichtig
sein könnte. Am Ende des dritten Gesprächs konnte sie in
etwa einschätzen, worum es ging. Quaiche wollte, dass die Ultras
eines ihrer Schiffe in einen niedrigen Orbit um Hela brachten und
für ihn den Leibwächter spielten.
Was er eigentlich fürchtete, wusste sie nicht. Den Ultras
gegenüber behauptete er, er wolle sich gegen andere
Raumfahrergruppen schützen, er hätte in letzter Zeit
mehrfach Anschläge vereitelt, die darauf abzielten, Hela unter
Kontrolle zu bekommen und die adventistischen Behörden um ihren
Vorrat an Flitzerfunden zu bringen. Wenn ein bewaffnetes Lichtschiff
den Mond umkreiste, würden die Feinde es sich zweimal
überlegen, ob sie sich in Helas Angelegenheiten einmischten. Die
Ultras wiederum sollten mit Handelsprivilegien für das Risiko
entschädigt werden, das sie eingingen, wenn mit ihrem kostbaren
Schiff so dicht an die Welt heranflogen, die einst die Gnostische
Himmelfahrt zerstört hatte. Rachmika konnte ihre
Nervosität förmlich riechen: Obwohl sie immer nur in
kleinen Fähren auf Hela landeten und die Lichtschiffe in
sicherer Entfernung am Rand des Systems parkten, wollten sie keine
Minute länger als nötig auf der Morwenna verbringen.
Rachmika hatte den Verdacht, dass Quaiche mehr wollte als nur
Schutz. Sie war sicher, dass der Dekan ihr etwas verheimlichte. Aber
das konnte sie nur ahnen, sein Gesicht verriet ihr nichts. Er war
praktisch undurchschaubar, nicht nur, weil der mechanische
Lidspreizer all die minimalen Ausdrucksveränderungen
unterdrückte, auf die sie angewiesen war. Sein Gesicht war
insgesamt von einer maskenhaften Starre, als wären die für
die Steuerung der Muskeln zuständigen Nerven durchtrennt oder
mit irgendeinem Gift gelähmt worden. Auch wenn sie ihn heimlich
beobachtete, waren seine Züge leer. Seine Grimassen wirkten
steif und übertrieben wie bei einer Handpuppe. Welche Ironie,
dachte sie, dass ausgerechnet der Mann sie zu sich geholt hatte,
damit sie für ihn in den Gesichtern der Menschen läse,
während er sein eigenes Gesicht systematisch verschloss.
Endlich waren die Gespräche für diesen Tag zu Ende.
Rachmika hatte Quaiche ihre Erkenntnisse mitgeteilt, und er hatte
aufmerksam zugehört. Zu welchen Schlüssen er selbst
gekommen war, behielt er für sich, aber er stellte ihre
Beobachtungen kein
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