Offenbarung
teilweise
abgesackt, sodass seine rote Muschelfähre deutlich schief zum
Stehen kam. Der Platz wurde offenbar nur selten benutzt.
Womöglich war hier seit Jahrzehnten nichts Größeres
als eine Versorgungsdrohne niedergegangen.
Grelier sammelte seine Siebensachen ein und stieg aus. Die
Plattform mochte baufällig sein, aber der Weg zur Siedlung war
noch in einigermaßen gutem Zustand. Der Generalmedikus tastete
sich mit seinem Krückstock über den rissigen Beton dem
nächsten öffentlichen Eingang zu. Die Luftschleuse wollte
sich nicht öffnen. Er verwendete den Glockenturm-Schlüssel – dem eigentlich keine
Tür auf Hela widerstehen sollte –, doch auch das half
nichts. Er zog daraus den pessimistischen Schluss, die Tür sei
ganz einfach kaputt und der Mechanismus nicht mehr
funktionsfähig.
Er folgte dem Weg weitere zehn Minuten, bis er eine Schleuse fand,
die sich öffnen ließ. Sie führte fast ins Zentrum des
kleinen unterirdischen Dorfes; oben standen kreuz und quer geparkte
Fahrzeuge, ausgemusterte Gerätemodule und Sonnenkollektoren mit
durchgebrannten und zerbrochenen Feldern. Das störte ihn nicht
weiter, allerdings war so dicht am Herzen der Siedlung eher zu
befürchten, dass er bei seinem Tun beobachtet wurde.
Egal: Es musste sein, die Alternativen waren erschöpft. Er
trat durch die Schleuse und gelangte, ohne seinen Anzug abzulegen,
über eine senkrechte Leiter hinab in ein schwach erleuchtetes
Tunnelnetz. Am Fuß der Leiter gingen Gänge nach fünf
verschiedenen Richtungen ab. Zum Glück waren sie farbcodiert,
sodass man erkennen konnte, zu welchen Wohn- und Industriegebieten
sie führten. Wobei ›Gebiet‹ nicht ganz das richtige
Wort war. Das winzige Dorf mochte gesellschaftliche Verbindungen zu
anderen Gemeinden im Ödland unterhalten, aber seine
Einwohnerzahl war geringer als die Bevölkerung einer Etage der Morwenna.
Er summte leise vor sich hin. So sehr ihn die jüngsten
Ereignisse beunruhigten, er war immer gern in Glockenturm-Geschäften unterwegs. Auch wenn es sich dabei
wie in diesem Fall fast um ein persönliches Anliegen handelte
und er dem Dekan den Grund für seine Reise nicht
ausdrücklich genannt hatte.
Wie du mir, so ich dir, sagte er sich. Wenn der Dekan vor
ihm Geheimnisse hatte, dann würde er eben Gleiches mit Gleichem
vergelten.
Grelier vermutete seit Monaten, dass Quaiche geheime Pläne
verfolgte, und als das Mädchen die Bauflotte erwähnte,
hatte sich sein Verdacht erhärtet. Er hatte sich bemüht,
ihrem Berichte keine Bedeutung beizumessen, aber er hatte ihn nicht
mehr losgelassen. Er passte zu gut zu verschiedenen Beobachtungen,
die er selbst in letzter Zeit gemacht hatte. Zum Beispiel wurde bei
der Wartung des Weges an allen Ecken und Enden gespart. Der
Eissturz war nur deshalb nicht rechtzeitig geräumt worden, weil
der Wartungstrupp nicht über die erforderlichen Geräte
verfügen konnte. Deshalb hatte Quaiche notgedrungen eine
nukleare Sprengung angeordnet: Gottesfeuer.
Grelier hatte zunächst an ein glückliches
Zusammentreffen geglaubt. Doch das erschien ihm immer
unwahrscheinlicher, je länger er darüber nachdachte.
Quaiche wollte seine Absicht, mit der Morwenna über die
Brücke zu fahren, mit allem Pomp verkünden. Und was
hätte seinen Worten mehr Nachdruck verliehen als der Schein des
Gottesfeuers hinter dem neu eingebauten Glasfenster?
Der Einsatz von Gottesfeuer war damit gerechtfertigt worden, dass
die Wartungstrupps bereits überlastet waren. Aber wenn sie nur
deshalb überlastet waren, weil man auf Anordnung von Quaiche
Geräte und Personal abgezogen hatte?
Greliers Verdacht ging noch weiter: Vielleicht war schon der
Eissturz künstlich ausgelöst worden. Quaiche hatte ihn auf
Sabotage durch eine andere Kirche zurückgeführt, aber er
könnte auch durchaus selbst der Auftraggeber gewesen sein. Die Morwenna hätte lediglich bei ihrer letzten Umrundung
Zündschnüre und Sprengladungen anzubringen brauchen.
Vor einem Jahr.
War es wirklich denkbar, dass Quaiche sich schon so lange mit
solchen Plänen trug? Zumindest war es nicht
auszuschließen. Menschen, die Kathedralen bauten, waren
schließlich gewöhnt, weit vorauszudenken.
Grelier sah immer noch nicht, worauf das alles abzielte. Er wusste
nur – mit wachsender Sicherheit –, dass Quaiche ihm
irgendetwas verheimlichte.
Ob es mit den Ultras zu tun hatte?
Oder mit der Überquerung der Brücke?
Immerhin schien das Geschehen einem großen Höhepunkt
entgegenzurasen. Und dann war da noch das
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