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Offenbarung

Offenbarung

Titel: Offenbarung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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Mädchen. Wie passte es
ins Bild? Grelier hätte geschworen, dass er es gefunden
hatte und nicht umgekehrt. Aber jetzt war er sich nicht mehr sicher.
Diese Rachmika hatte sich auffällig gemacht, so viel stand fest.
War er auf einen jener Kartentricks hereingefallen, die dem Opfer
suggerierten, welche Karte es vom Stapel nehmen sollte?
    Er hätte natürlich nie Verdacht geschöpft, wenn ihr
Blut nicht gewesen wäre.
    »Ein kleines Rätsel«, dachte er bei sich.
    Dann blieb er unvermittelt stehen, denn er war ganz in Gedanken an
der gesuchten Adresse vorbeigegangen. Jetzt machte er kehrt. Zum
Glück war sonst niemand unterwegs. Er hatte keine Ahnung, wie
spät es nach Ortszeit war. Schliefen die Bewohner noch, oder
waren sie alle an den Grabungsstätten?
    Es war ihm egal.
    Um sich vorstellen zu können, öffnete er sein
Helmvisier. Dann klopfte er mit seinem Krückstock kräftig
gegen die Tür der Els-Wohnung und wartete, leise vor sich hin
summend, bis man ihm aufmachte.

 
Im Orbit um Hela

2727
     
     
    Die adventistische Abordnung war auf der Sehnsucht nach
Unendlichkeit eingetroffen. Die zwanzig Delegierten glichen sich
wie ein Ei dem anderen. Sie wirkten verschüchtert, und ihre
Höflichkeit war so übertrieben, dass sie an
Unverschämtheit grenzte. Alle trugen die gleichen scharlachroten
Hartschalenanzüge mit dem adventistischen Emblem des
kreuzförmigen Raumanzugs, und alle hatten die gleichen Helme mit
rosarotem Federbusch unter den gleichen Arm geklemmt.
    Scorpio beobachtete den Anführer durch das Fenster in der
inneren Schleusentür. Ein kleiner Mann mit einem grausamen,
launischen Zug um den schmalen Mund, der aussah, als sei er erst im
Nachhinein in sein Gesicht eingeschnitten worden.
    »Ich bin Bruder Seyfarth«, erklärte der Mann.
    »Ich freue mich, sie an Bord begrüßen zu
dürfen, Bruder«, sagte Scorpio, »aber bevor Sie das
Schiffsinnere betreten dürfen, müssen wir noch einige
Gesundheitstests durchführen.«
    »Immer noch Angst vor der Schmelzseuche?«, kam es
blechern aus dem Sprechgitter. »Ich dachte, wir hätten
inzwischen wahrhaftig andere Sorgen.«
    »Man kann nie vorsichtig genug sein«, sagte Scorpio.
»Das geht natürlich nicht gegen Sie
persönlich.«
    »Ich denke auch nicht daran, mich zu beschweren«,
versicherte Bruder Seyfarth.
    Tatsächlich waren sie gescannt worden, sobald sie die
Luftschleuse der Unendlichkeit betreten hatten. Scorpio wollte
wissen, ob sich unter dieser Rüstung etwas verbarg, und wenn ja,
was es war.
    Er hatte die Geschichte der Sehnsucht nach Unendlichkeit studiert. Als das Schiff noch unter dem Kommando des alten
Triumvirats stand, hatte man einmal jemanden an Bord gelassen, der in
einem seiner künstlichen Augen eine winzige Antimateriebombe
versteckt hatte. Mit dieser stecknadelkopfgroßen Waffe hatte
der Fremde das ganze Schiff in seine Gewalt gebracht. Scorpio konnte
Volyova und den anderen daraus keinen Vorwurf machen:
Antimateriebomben waren so selten und so ungemein schwierig
herzustellen, dass man ihnen nicht sehr oft begegnete. Aber auf
seiner Wache sollte so etwas nicht passieren, wenn er es irgendwie
verhindern konnte.
    Im Innern des Schiffes wurden die Geisterbilder der gescannten
Delegierten von Angehörigen des Sicherheitsdienstes
gründlich untersucht. Die Rüstung erschien hier nur als
trübe, graugrüne Schicht, darunter waren Fleisch, Blut und
Knochengerüst deutlich zu erkennen. Man fand keinerlei
verborgene Waffen, weder Pistolen noch Messer. Aber damit hatte
Scorpio auch nicht gerechnet. Selbst wenn die Delegierten etwas im
Schilde führten, mussten sie wissen, dass gewöhnliche
Waffen schon bei einem flüchtigen Scan auffallen würden.
Wenn sie tatsächlich etwas an Bord schmuggeln wollten, mussten
sie schon raffinierter vorgehen.
    Vielleicht hatten sie auch gar nichts dabei. Vielleicht waren sie
wirklich nur das, wofür sie sich ausgaben. Vielleicht war er
gegenüber dieser Abordnung nur deshalb so misstrauisch, weil man
ihn nicht gefragt hatte, bevor man sie an Bord ließ.
    Aber dieser Bruder Seyfarth hatte etwas an sich, das ihm nicht
gefiel. Diesen grausamen Mund kannte Scorpio von anderen brutalen
Menschen. Und dann die Art, wie er unentwegt die Hände in den
Metallhandschuhen zu Fäusten ballte und wieder öffnete,
während er darauf wartete, dass sich die Schleuse
öffnete…
    Scorpio fasste an seinen Kopfhörer. »Keine versteckten
Waffen«, hörte er. »Keine chemischen Spuren von
Sprengstoffen, Toxinen oder Nervengiften.

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