Offenbarung
polierten
Brustharnischen schaute Scorpio sein eigenes verzerrtes Spiegelbild
entgegen. Seine Besorgnis war nicht zu übersehen.
Nachdem die Abordnung nun einmal an Bord war, musste er zumindest
dafür sorgen, dass sie da blieb, wo er sie haben wollte. Es
bestand kein Anlass, den Delegierten das ganze Schiff zu zeigen, sie
brauchten nur die Teile zu sehen, mit denen sie direkt befasst waren.
Keine Führung durch die Räume mit den
Weltraumgeschützen, keine Führung zu den Schächten der
hypometrischen Waffen oder den anderen Umbauten, die nach dem Start
von Ararat vorgenommen worden waren. Er würde auch versuchen,
die Helaner von den Bereichen fern zu halten, wo die
Transformationskrankheit des Captains besonders stark gewütet
hatte. Ganz würden sich die Veränderungen ohnehin nicht
verheimlich lassen. Die zwanzig Männer watschelten wie eine
Schar Entenküken hinter ihm her und bekundeten demonstrativ
Interesse, sooft er stehen blieb, um ihnen etwas zu zeigen.
»Faszinierende Innenarchitektur«, bemerkte der
Anführer und betastete – mit leichtem Widerwillen –
eine rippenähnliche Formation, die aus einer Wand ragte.
»Ihr Schiff sah schon von außen ziemlich ungewöhnlich
aus, aber wir hätten nicht gedacht, dass Sie das Thema auch im
Innern fortsetzen würden.«
»Irgendwann kommt man nicht mehr davon los«, sagte
Scorpio.
»Uns stört das nicht weiter. Solange das Schiff all das
kann, was Sie behauptet haben, geht uns das Dekor nun wirklich nichts
an.«
»Die Rumpfbewaffnung und die Fernsensoren liegen Ihnen
sicherlich mehr am Herzen«, sagte Scorpio.
»Ihre technischen Angaben waren sehr beeindruckend«,
sagte Bruder Seyfarth. »Aber wir müssen natürlich
überprüfen, ob Sie den versprochenen Schutz auch wirklich
gewährleisten können. Helas Sicherheit hängt davon
ab.«
»Das sollte Ihnen keine schlaflosen Nächte
bereiten«, sagte Scorpio.
»Sie sind doch hoffentlich nicht gekränkt?«
Das Schwein drehte sich um und sah ihn an. »Sehe ich aus, als
wäre ich so leicht zu kränken?«
»Keineswegs«, sagte Seyfarth und ballte wieder die
Fäuste.
Scorpio spürte, dass sich die Gruppe in seiner Gegenwart
unwohl fühlte. Wahrscheinlich gab es auf Hela nicht viele
Hyperschweine. »Wir sind nicht für lange Reisen
geschaffen«, erklärte er. »Wir neigen dazu, unterwegs
zu sterben.«
»Sir?«, fragte einer der anderen Delegierten. »Sir,
wenn es nicht allzu viele Umstände macht, würden wir uns
gern die Triebwerke ansehen.«
Scorpio sah auf die Uhr. Sie lagen gut in der Zeit. Die beiden
Instrumentenpakete konnte er erst in knapp sechs Stunden auf Haldora
abschießen. Es waren nur etwas stabilere Drohnen, die man so
umgebaut hatte, dass sie den Flug in die Atmosphäre eines
Gasriesen überstehen konnten. Was sie finden würden, wenn
sie auf Haldoras sichtbare Oberfläche träfen, wusste
niemand so genau, aber man wollte auf alles gefasst sein, auch
darauf, dass der ganze Planet wie eine Seifenblase zerplatzte.
»Sie möchten die Triebwerke sehen?«, fragte er.
»Kein Problem. Überhaupt kein Problem.«
Helas Sonne stand tief am Horizont. Die große gotische
Kathedrale warf nach vorne einen langen Schatten. Seit Vaskos und
Khouris erstem Besuch bei Quaiche waren mehr als zwei Tage vergangen.
Inzwischen hatte die Morwenna den Westrand der Spalte beinahe
erreicht. Die Brücke lag vor ihr: ein Gebilde wie aus einem
Traum, spinnwebfein und glitzernd wie gesponnener Zucker. Wenn man
beide so dicht nebeneinander sah, wirkte die Kathedrale noch schwerer
und die Brücke noch fragiler, und der Plan, den Koloss auf ein
solches Kunstwerk zu setzen, erschien absurder denn je.
Vasko hatte eine Idee: Angenommen, die Brücke existierte
nicht mehr? So tollkühn es wäre, mit der Morwenna über ein derart zerbrechliches Bauwerk zu fahren, Quaiche
musste zumindest ein Fünkchen Hoffnung auf Erfolg haben. Aber
wenn die Brücke zerstört wäre, würde er doch wohl
nicht einfach über die Kante fahren und seine Kathedrale in den
sicheren Tod stürzen?
»Wie weit noch?«, fragte Khouri.
»Zwölf oder dreizehn Kilometer«, antwortete Vasko.
»Sie fährt etwa einen Kilometer pro Stunde, damit bleibt
uns ein halber Tag Zeit. Länger sollte man wirklich nicht mehr
an Bord bleiben.«
»Ein halber Tag ist nicht viel.«
»Wir brauchen auch nicht viel«, sagte er.
»Zwölf Stunden müssten mehr als ausreichend sein. Wir
wollen doch nur Aura suchen und Quaiche entlocken, was wir wissen
wollen. Kann das denn so
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