Offenbarung
ihn ausdruckslos an; Quaiche kam sich vor, als
würde er geschält wie eine Frucht. »Bisher haben Sie
derartige Gesuche immer abgelehnt«, sagte er. »Woher der
plötzliche Sinneswandel?«
»Weil«, sagte Quaiche, »es jetzt nicht mehr darauf
ankommt. Die Auslöschungen steuern ohnehin auf einen
krönenden Abschluss zu. Gottes Wort wird sich offenbaren, ob es
uns gefällt oder nicht.«
»Das ist es nicht allein.« Seyfarth fuhr mit seinem
roten Handschuh durch den weichen rosa Federbusch. »Es
kümmert Sie einfach nicht mehr, nicht wahr? Seit der Triumph zum
Greifen nahe ist.«
»Sie irren sich«, sagte Quaiche. »Es ist mir
wichtiger denn je. Aber vielleicht ist ja gerade dies Gottes Wille.
Vielleicht führen die Ultras mit ihrem Eingreifen das Ende sogar
schneller herbei.«
»Und Gottes Wort offenbart sich am Vorabend Ihres Sieges? Ist
das Ihre Hoffnung?«
»Wenn es so vorherbestimmt ist«, sagte Quaiche mit einem
fatalistischen Seufzer, »wie komme ich dazu, mich dem Schicksal
in den Weg zu stellen?«
Seyfarth gab ihm die Aufnahme zurück und ging im Turmzimmer
auf und ab. Die Spiegel zerschnitten sein Bild und mischten die Teile
neu. Seine Rüstung knarrte mit jedem Schritt, die behandschuhte
Faust öffnete und schloss sich nervös.
»Das Vorauskommando: wie viele Delegierte?«
»Sie waren mit zwanzig einverstanden. Ich hielt es nicht
für ratsam, sie weiter zu bedrängen. Sie kommen doch mit
zwanzig Mann zurecht?«
»Dreißig wären besser.«
»Dreißig sieht bereits nach einer Armee aus.
Außerdem sollen die zwanzig nur feststellen, ob es sich
überhaupt lohnt, das Schiff zu übernehmen. Sobald die
Fronten aufgeweicht sind, können Sie so viele Gardisten
nachschicken, wie Sie entbehren können.«
»Ich brauche die Erlaubnis, alle Waffen einzusetzen, die ich
für erforderlich halte.«
»Sie sollen die Leute nicht sinnlos abschlachten,
Hauptmann«, mahnte Quaiche mit erhobenem Zeigefinger.
»Widerstand darf in vernünftigem Rahmen gebrochen werden,
gewiss, aber das heißt nicht, dass Sie ein Blutbad anrichten
sollen. Setzen Sie auf jeden Fall die Sicherheitselemente außer
Gefecht, aber betonen Sie, dass wir uns das Schiff nur ausleihen
wollen: Wir haben nicht vor, es zu stehlen. Sobald die Arbeit getan
ist, bekommen sie es mit Dank zurück. Ich brauche wohl nicht
eigens zu erwähnen, dass Sie mir das Schiff tunlichst in einem
Stück zu übergeben haben.«
»Ich habe nur um die Erlaubnis zum Waffengebrauch
gebeten.«
»Setzen Sie ein, was Sie für richtig halten, Hauptmann,
vorausgesetzt, Sie können es an den Ultras vorbeischmuggeln. Die
Ultras werden das Übliche erwarten: Bomben, Messer und
Handfeuerwaffen. Selbst wenn wir Antimaterie hätten, würde
es uns schwer fallen, sie aufs Schiff zu bringen.«
»Ich habe bereits alle erforderlichen Vorkehrungen
getroffen«, sagte Seyfarth.
»Natürlich. Aber – ich bitte Sie – legen sie
ein gewisses Maß an Zurückhaltung an den Tag!«
»Was hatte eigentlich Ihre Hausmagierin zu der Sache zu
sagen?«
»Sie kam zu dem Schluss, es gäbe keinen Anlass zur
Beunruhigung.«
Seyfarth drehte sich um und setzte seinen Helm auf. Der rosa
Federbusch fiel ihm über das schwarze Visier. Er sah zugleich
komisch und Furcht einflößend aus, und genau das war seine
Absicht.
»Dann werde ich mich an die Arbeit machen.«
Sehnsucht nach Unendlichkeit,
parkender Schwarm, 107 Piscium
2727
Eine Stunde später traf eine offizielle Nachricht vom Glockenturm der Morwenna ein. Die Adventisten
erklärten sich mit den Bedingungen einverstanden. Vorbehaltlich
der Aufnahme von zwanzig kirchlichen Beobachtern auf der Sehnsucht
nach Unendlichkeit dürfe das Lichtschiff in den heianahen
Raum einfliegen und seine Wache antreten. Sobald die Beobachter an
Bord seien und die Bewaffnung inspiziert hätten, sollte die
Besatzung die Erlaubnis erhalten, innerhalb eines vorgegebenen
Rahmens eine physikalische Untersuchung des Haldora-Phänomens
vorzunehmen.
Dreißig Minuten später wurde die Antwort abgesetzt. Die Sehnsucht nach Unendlichkeit erklärte sich mit den
Bedingungen einverstanden, die Adventistengruppe dürfe an Bord
kommen, während sich das Lichtschiff in Spiralen auf den
Hela-Orbit zubewege. Gleichzeitig sollte eine Ultra-Delegation mit
einer Fähre die Landeplattform der Morwenna ansteuern.
Dreißig Minuten später flackerte der Hauptantrieb auf,
und die Sehnsucht nach Unendlichkeit löste sich aus dem
parkenden Schwarm.
Vierzig
Auf
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