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Oh, diese Verwandschaft!

Oh, diese Verwandschaft!

Titel: Oh, diese Verwandschaft! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Scott
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horchen. Zuletzt wurde Laura ungeduldig und fragte unverblümt, ob sie einen Anruf von Ken erwarte. Eva verneinte. Sie hätten verabredet, eine Woche lang keine Verbindung aufzunehmen.
    »Auf diese Weise hat Ken die Möglichkeit mit seiner Frau zu sprechen und dann zu sehen, was sie tun will.«
    »Das wird ziemlich schwierig sein«, meinte Laura trocken. Eva erwiderte vorwurfsvoll, manche Menschen hätten eben kein Gefühl und keine Phantasie. Sie lebten ordentlich und selbstgefällig dahin und versuchten gar nicht, sich vorzustellen, was andere Leute fühlten im... im... Sie zögerte. Laura ergänzte gereizt: »Im Kampf mit einer großen Leidenschaft? Nein, ich verstehe es nicht und will es auch nicht verstehen. Mir scheint, das macht die Menschen vollkommen blind und selbstsüchtig. Aber...«
    In diesem Augenblick läutete zum Glück das Telefon. Eine Männerstimme fragte nach Eva.
    »Hier ist deine große Leidenschaft«, sagte Laura boshaft und reichte ihrer Kusine den Hörer. Dann ging sie und machte die Tür fest zu.
    Als sie zurückkam, war Eva aufgeregt und feuerrot. »Er kommt hierher!« rief sie und vergaß dabei völlig Lauras gefühllose Bemerkungen. »Er kommt hierher! Er sagte, er muß mich sehen! Seine Stimme klang furchtbar erregt. Irgend etwas muß passiert sein. Er sagte, er könne es nicht erwarten, mich wiederzusehen.«
    »Sehr erfreulich. Hoffentlich läßt ihn seine Passion nicht allzu sehr auf den Gashebel treten«, meinte Laura ärgerlich. Aber am Ende wäre das sogar ein Segen, dachte sie boshaft. Doch rasch verdrängte sie diesen Gedanken wieder. Sie wurde ja richtig schlecht! Einem andern den Tod zu wünschen! Wo geriet sie hin?
    Aber praktisch gesehen: Wie sollten sie diesen Besuch vor Derek verheimlichen und wie ihm verschweigen, daß der Mann verheiratet war und zwei Kinder hatte? Nun, das war Evas Angelegenheit. Laura wollte ihren Mann nicht hintergehen.
    Binnen einer Stunde war Kenneth da. Als Laura den Wagen in der Einfahrt erblickte, verließ sie fluchtartig das Haus. Im Fortgehen rief sie Eva zu: »Bringt in Gottes Namen die Sache hinter euch, und schick ihn fort, bevor Derek heimkommt. Oder noch besser, ihr geht auswärts essen und bleibt ganz lange fort. Ich mag nicht lügen, und ich darf nichts sagen; also verzieht euch irgendwohin.«
    Als sie zurückkam, waren sie verschwunden. Das Auto war weg, und Eva auch. Für einen Augenblick wurde Laura von Unruhe gepackt: Hatte sie das Mädchen zu einem Schritt veranlaßt, der sich nicht wiedergutmachen ließ? Hatte sie ihr den Schutz ihres Hauses verweigert und sie zum Äußersten getrieben?
    Mit gemischten Gefühlen sah sie kurz nach zehn Uhr die Lichter des Wagens auftauchen. Sie hatte gehofft, daß Derek zeitig ins Bett gehen würde. Er hatte das aber nicht getan. Sie hatten friedlich am offenen Fenster gesessen, als sie das Auto hörten. Da stand Derek schnell auf und sagte grinsend: »Eva und ihr geheimnisvoller Verehrer. Reg dich nicht auf. Ich habe nicht die Absicht, ihm zu begegnen. Ich habe schon zu viele ihrer verflossenen jungen Männer kennengelernt, und sie haben mich alle gelangweilt. Sag ihm, die Farmer wären wie die Hühner und gingen bald zu Bett. Da er sicher ein Stadtfrack ist, wird er dir wahrscheinlich glauben.«
    Wider ihre bessere Einsicht sagte Laura: »Bitte, geh nicht weg! Laß mich nicht allein. Es ist so — so schwierig. Bleib da und hilf mir!«
    »Auf keinen Fall. Wenn du dich mit anderer Leute Angelegenheiten befassen willst, mußt du’s auf deine eigene Kappe nehmen.« Und mit entwaffnender Liebenswürdigkeit verließ er sie.
    Selbstverständlich ahnte er etwas; ganz sicher war er nicht einverstanden. Sie hatten einen so friedlichen Abend verbracht. Zum Teufel mit Eva und ihrem erbärmlichen Verehrer! Einen Augenblick lang wünschte sie, die beiden wären durchgebrannt und ließen sie in Ruhe. Sie haßte Derek, weil er glaubte, sie steckte ihre Nase in Sachen, die sie nichts angingen.
    Sie kamen herein, und Eva legte gleich los: »Laura, Gott sei Dank ist Derek im Bett und du noch nicht! Das ist Kenneth. Wir sind in einer schrecklichen Situation. Du mußt uns einfach helfen.«
    Kenneth Everton war ungefähr so, wie Laura ihn sich vorgestellt hatte; er sah sogar noch besser aus. Er war groß und hatte ein sympathisches, feingeschnittenes Gesicht. Das Haar war nach Lauras Meinung etwas zu lang — aber zum Glück hat er keinen Bart, dachte sie schnell. Obwohl er gut aussah, waren seine Züge etwas zu weich;

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