Oh, diese Verwandschaft!
ich auch nichts dazu sagen. Sie ist alt genug, um zu wissen, was sie tut. Kein Grund zur Aufregung.«
Christine sah sie überrascht an. »Aber Laura, ich dachte, du würdest die erste sein, die für die Unverletzlichkeit der Ehe eintritt, für die Rechte der Kinder und das alles! Du hast doch immer auf Großmutters Grundsätzen bestanden. Was meinst du, was sie von Evas jetzigem Seitensprung gehalten hätte?«
»Zieh Großmutter nicht hinein«, antwortete Laura scharf. »Eva hat es gestern abend schon gesagt: Sie ist nicht mehr bei uns.«
Ihre Stimme zitterte ein wenig.
»Das ist ja eine famose Einstellung«, erwiderte Christine selbstgefällig. »Ich kann mir vorstellen...«
»Wenn du mit dem Spruch kommen möchtest, sie würde sich im Grabe umdrehen«, schnitt Eva ihr das Wort ab, »dann halt den Mund. Wenn jemand ihre Ruhe stört, dann höchstens du. Dauernd hast du Streit mit deinem Mann, dauernd rennst du hierher wie ein verlassenes Kind, dauernd...«
Christines Gesicht verfärbte sich, und plötzlich redete Laura sehr laut: »Ich wünsche, daß ihr alle beide den Mund haltet und euern Kaffee trinkt. Hört endlich damit auf, euch zu beschimpfen und Großmutter mit hineinzuziehen. Ich weiß ganz genau, was sie gesagt hätte, und Eva weiß es auch. Sie hätte nicht gewollt, daß man mit ihr gedroht hätte, und ich will das auch nicht haben.«
»Du willst das nicht?«
Auf einmal sprachen beide Schwestern gleichzeitig.
»Nein. Und noch etwas: ich erinnere euch zwar nicht gern daran, aber das hier ist mein Haus. Und wenn ihr euch nicht anständig benehmen könnt, dann ist es besser, ihr geht und tragt eure Auseinandersetzung woanders aus.«
Sie waren so überrascht, daß im ersten Augenblick keine etwas sagte. Laura warf sie hinaus! Laura erinnerte sie daran, daß Brookside nicht mehr ihre Heimat war! Das war so unglaublich, daß ihnen die Worte fehlten. Laura war selbst überrascht. Sie hatte tatsächlich den »Waisenkindern« die Meinung gesagt! Mehr noch, sie hatte sie daran erinnert, daß das alte Haus nicht mehr ihr Zuhause war. Es war ihr Haus, und sie hatten sich darin anständig aufzuführen! Eigentlich bedauerte sie nichts. Es war höchste Zeit, daß ihnen das einmal klargemacht wurde. Sie bedauerte nur, daß Derek nicht dabei war.
Beide Schwestern waren wie vor den Kopf geschlagen. Gehorsam nahmen sie ihren Kaffee entgegen. Sie betrachteten Laura befremdet und mit neuem Respekt. Sie hatten nicht gedacht, daß Laura so energisch werden konnte, und sie litten unter diesem Schock. Daß sie das fertigbrachte: einfach zu sagen, das sei ihr Haus! Brookside, ihr Zuhause!
Sie ließen sich sogar herbei, von anderen Dingen zu reden. Sie fragten, ob die Farmarbeit Fortschritte mache, wie es Hugh auf der Universität gefalle und was Marie für ein Mensch sei.
»Ich kann sie nicht verstehen. Dreimal verheiratet! Und dabei scheint sie so sensibel zu sein.«
Laura lächelte. »Sie ist äußerst sensibel und gleichzeitig sehr klug, sogar was ihre Ehen betrifft. Sie mag Männer gern, und die Männer mögen sie; und sie ist altmodisch genug, um zu glauben, daß man in der Ehe glücklich sein kann.«
Diesen kleinen Seitenhieb konnte sie sich nicht verkneifen. »Lester würde sagen: Auf diese Art findet sie ihre Selbstbestätigung. Deshalb heiratet sie immer wieder. Und aus jeder ihrer Ehen macht sie etwas. Das zeigt doch zur Genüge, daß sie etwas davon versteht.«
Sie lachten höflich, und für kurze Zeit entspannte sich die Atmosphäre. Aber Christine konnte es nicht dabei lassen. Sie fragte Eva, wie lang sie in Brookside zu bleiben gedenke. Wie gewöhnlich fragte Eva ihre Gastgeberin nicht um ihr Einverständnis; sie erklärte, sie habe jetzt vierzehn Tage Urlaub, und dann... Sie vollendete den Satz nicht. Laura kam einer scharfen Bemerkung von Christine zuvor und sagte lebhaft: »Inzwischen bitte keine weiteren Diskussionen! Wenigstens nicht in diesem Haus.«
Da hatte sie ihnen wahrhaftig ihr Eigentumsrecht schon wieder unter die Nase gerieben! Sie genierte sich ein wenig, aber es wirkte. Christine sagte: »So, jetzt muß ich heim. Ich habe heute nachmittag Gäste und habe noch nichts vorbereitet. Laura, du hast wohl nicht zufällig einen Kuchen in der Gefriertruhe übrig?«
Der Alltag hatte sie wieder. Christine entschwand mit einer Sandtorte, die eigentlich für Lauras Nachmittagstee bestimmt war. Als sie schon an der Haustür war, meinte Eva kopfschüttelnd: »Das paßt zu ihr! Ob sie wohl jemals
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