Oh Happy Dates
»Sarah Sargeant, das gibt’s ja nicht. Erinnerst du dich nicht mehr an mich? Von der Klosterschule?«
Ich sehe sie ein paar Sekunden lang an, ehe ich flüstere: »Aber ja, meine Güte, Rachel Bird!« In der Schule wollte ich immer Rachel Bird sein. Sie war zwei Jahre älter als ich, hübsch, beliebt, im Basketballteam, und sie bekam bei den Theateraufführungen der Schule immer die weibliche Hauptrolle. Da wir nur Mädchen auf dieser Klosterschule waren, gab es im Allgemeinen immer nur eine gute Mädchenrolle, alle anderen mussten Jungs oder komische Alte spielen. Jahr für Jahr hatte ich Talkumpuder im Haar und einen billigen Schnurrbart zum Aufkleben, um einen senilen alten Mann zu spielen, während Rachel Bird ein hübsches Kleid und Lippenstift tragen durfte. Man hegt ja immer die Hoffnung, bei einer Preisverleihung, auf der man selbst einen Preis bekommt, auf Leute zu treffen, die man von früher kennt, oder dass man ihnen begegnet, wenn man gerade aus einem Nobelrestaurant wie The Ivy kommt, während sie auf ihrem Weg zur Sandwichbude Subway an einem vorbeilaufen. Aber man rechnet doch
nicht mit so was. Doch nicht damit, dass man blutend bei der BBC über den Fußboden kriecht.
»Was machst du hier?«, fragt sie mich.
»Ich spreche für eine kleine Rolle bei Casualty vor. Und du?«
»Dasselbe, ja, diesmal nur eine kleine Rolle. Ich fliege nächste Woche nach L.A.«
»Wow! Hast du da drüben einen Agenten?«, erkundige ich mich.
»Noch nicht. Ich habe einen Freund, der ist Produzent, und er wird mit mir alles abklappern, damit ich einen finde.«
»Wow! Mein Gott, ich würde so gern dahin und bei einer Folge von 24 mitspielen«, erwidere ich mit einem Seufzer.
Rachel Bird lacht, als hätte ich einen Scherz gemacht.
»Na dann, viel Glück.« Ich lächele. Ich gebe vor, wieder in meinem Skript zu lesen.
»Hier, nimm meine Karte. Ich werde meine L.A.-Erlebnisse in meinem Blog dokumentieren. Die Adresse steht da drauf.«
»Oh mein Gott! Ich habe auch einen Blog!« Ich keuche, als käme ich gleich zum Höhepunkt. »Ich bin noch nie einem anderen Blogger begegnet! Worum geht es denn in deinem?«
»Ach, du weißt schon, ein bisschen wie Sex and the City , Dinge über meine Karriere und mein Sexleben.« Sie zuckt nonchalant mit den Schultern. »Und deiner?«
»Äh, hm«, murmele ich, »nicht gerade Sex and the City , eher kein Hauch von Sex in der City. Es dreht sich alles um mein nicht vorhandenes Sexleben und meine nicht vorhandene Karriere.«
»Aha.« Sie nickt desinteressiert. »Wie oft wurdest du angeklickt?«
»Wie bitte?«
»Wie oft hat man deinen Blog angeklickt?«
»Weiß nicht. Aber ich habe zwei Kommentare«, verkünde ich stolz. Rachel Bird lacht wieder, also erzähle ich ihr nicht, dass beide von ein und derselben Person stammen. Aber ich bin trotzdem stolz auf meine beiden Kommentare. Den habe ich heute Morgen bekommen:
> Ich war beim Speed-Dating! Dort traf ich dein Ian-Beale-Double, ich hoffte darauf, weil ich seinen Orangenwitz richtig lustig fand, als du darüber schriebst. Wir gehen diesen Freitag zusammen was trinken!! Danke schön.
»Wieso, kriegst du denn viele Kommentare?«
»Geh auf meinen Blog und sieh’s dir an, Schätzchen«, meint sie selbstgefällig.
»Okay.«
»Du brauchst einen Sitemeter. Der sagt dir, wie viele Leute deinen Blog jeden Tag anklicken und wie sie auf deine Seite gekommen sind.«
»Ist ja irre. Klingt beeindruckend. Und wie krieg ich einen?«
»Geh auf meinen Blog, klicke auf den Button mit der Aufschrift Sitemeter, dann erfährst du’s.«
Ich merke, dass ich noch immer Rachel Birds BlackBerry in der Hand halte. Ich gebe ihn ihr zurück.
»Hier ist dein BlackBerry. Hat eine kleine Macke abbekommen.«
»Hm. Ja. Also, ich war stinksauer. Ich habe den Bloggie dieses Jahr nicht gewonnen, irgend so ein blöder schwuler Friseur hat ihn gekriegt.«
Ich sehe sie an und will sie schon fragen, was ein Bloggie ist, als sie erläuternd hinzufügt: »Es ist ein Preis für den
besten Blog, Sarah, du kennst dich mit dem Bloggen noch nicht gut aus, oder?«
»Wie’s aussieht«, brumme ich. Ich sitze noch immer auf dem harten grauen Fußboden. Als ich mir gerade vorstelle, im nächsten Jahr einen Bloggie zu gewinnen, steckt Selina Gutteridge, meine liebste Casting-Direktorin, ihren Kopf durch die Tür und sagt: »Sarah, Sie kommen als Nächste dran, tut mir leid, dass Sie warten mussten.«
»Oh, keine Ursache«, sage ich lächelnd und erhebe mich. Aber sie
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