Ohne Beweis (German Edition)
aber wie konnte ich an ihn herankommen oder auf andere Weise herausfinden, was dort auf diesem Mühlenhof einst geschehen war? Ich musste nochmals dort hinauf und mich gründlich umsehen. Aber wie sollte ich das anstellen? Ob dieser Bauer auch mal für ein paar Stunden seinen Hof verließ? Vielleicht um Besorgungen zu machen oder zum Arzt zu gehen? Krank sah er zwar nicht aus, aber das musste ja nichts heißen. In seinem Alter brauchten doch die meisten Leute regelmäßig irgendwelche Medikamente. Aber ich konnte doch nicht die ganze Zeit auf der Lauer liegen und warten, bis er wegfuhr. Und dann war da ja auch noch dieser riesige Schäferhund. Der war zwar an der Kette gewesen, als ich dort oben war, aber bellen würde der sicher wie verrückt. Das würde man trotz der großen Entfernung zu den nächsten Höfen bestimmt hören. Was also tun? Ich musste etwas über seinen täglichen Ablauf herausbekommen. Vielleicht ging er regelmäßig zur Kirche oder zu irgendeinem Stammtisch. Zum Sport geht so ein Bauer bestimmt nicht, oder? Wer konnte etwas über diesen Typen wissen? Sollte ich nochmals zu der Vereinsgaststätte gehen und mich dort umhören? Oder würden die Ottenbacher auf meine Fragerei argwöhnisch reagieren? So ein Mist! Mir fiel einfach keine Lösung ein. Doch dann belauschte ich ungewollt ein Gespräch zwischen Nora und Carolin, die sich in ihrer Bücherstube unterhielten, während ich vor ihrer Türe beim Pflastern war.
„Ach Nora! Du benimmst dich wirklich wie eine Detektivin. Lass es doch einfach gut sein und glaube daran, dass Carmen wirklich eine Auszeit braucht. Du weißt doch gar nicht, wie man sich fühlt, wenn man in die Wechseljahre kommt. Da kann es schon mal sein, dass man unter Depressionen zu leiden hat!“, schimpfte die Ältere. Ich verstand allerdings nur Detektivin, Carmen und Depressionen und konnte mir ungefähr zusammenreimen, dass diese Nora es wohl nicht so ganz glauben wollte, dass „meine“ Carmen einfach verschwunden war. Ich wollte das auch nicht glauben, aber ich kannte Carmen ja noch gar nicht wirklich und so konnte ich mir einfach kein Urteil erlauben.
„Ich kann es mir aber schon denken, wie man sich dabei fühlt, denn wahrscheinlich ist das nichts anderes als in der Pubertät. Da war ich manchmal auch total durcheinander und schlecht drauf. Aber du hast Recht, wissen tu ich das natürlich nicht. Mein Gefühl sagt mir aber, dass da irgendwas nicht stimmt und auf meinen Instinkt konnte ich mich noch immer verlassen. Es kann doch nix schaden, wenn ich mich ein bisschen umhöre, oder?“, maulte Nora und auch davon verstand ich so viel, dass mir klar wurde, dass diese junge Dame gerne herumschnüffelte. Vielleicht konnte ich mir das zunutze machen. Irgendwie musste ich ihr von meiner Geschichte erzählen und was ich von ihr wollte. Um den Mut nicht wieder zu verlieren, legte ich meinen Hammer kurz zur Seite (mein Chef war heute nicht da) und lugte vorsichtig zum Fenster hinein. Als Carolin aus dem Raum ging, um einen Stapel Bücher wegzubringen, gab ich Nora ein Zeichen, dass ich sie sprechen wollte. Sie begriff zum Glück sofort, was ich von ihr wollte und rief ihrer Bekannten zu:
„Ich bin kurz draußen und hol uns einen Kuchen zum Kaffee. Bin gleich wieder da!“
„Hallo Kamil. Was gibt`s?“, fragte sie freundlich und ich gab ihr kurz die Hand.
„Ich haben Problem und du mir vielleicht helfen?“, fragte ich vorsichtig um zu erfahren, ob sie überhaupt bereit war, mir zu helfen.
„Um was geht es denn?“, wollte Nora wissen und man merkte ihr an, dass ihre Neugier bereits geweckt war.
„Ich erklären heute Abend, wenn niemand hört. Wo können treffen?“, fragte ich und war mir nicht sicher, ob sie sich überhaupt traute, sich mit einem wildfremden Mann zu treffen. Doch dieses Mädel war nicht dumm und so schlug sie vor, mich mit ihrem Motorroller abzuholen. Im Nachbarort Salach wollte sie mit mir dann in eine Pizzeria gehen. Sie hatte das in so einfachen Worten vorgebracht, dass ich es gut verstanden hatte. Erleichtert und dankbar schüttelte ich ihr die Hand und ich glaubte, sie fasste da schon Vertrauen zu mir. Ich konnte es in ihren Augen lesen. Braves Mädel! Ich schaute ihr zufrieden nach, als sie zum Bäcker hinunter lief, um den (eigentlich als Alibi gemeinten) Kuchen zu holen. Warum wollte Nora eigentlich nicht, dass Carolin mitbekam, dass sie sich mit mir unterhielt?
Die letzten Arbeitsstunden waren an diesem Tage eine wahre Qual
Weitere Kostenlose Bücher