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Ohne Beweis (German Edition)

Ohne Beweis (German Edition)

Titel: Ohne Beweis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Mehnert
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blendete sie, als der Bauer mit einem Korb die Steinstufen herunter kam.  
    „Na, soweit alles in Ordnung bei Ihnen?“, fragte er und sie glaubte zu spüren, dass er dabei lächelte, aber sehen konnte sie sein Gesicht nicht. Wie sollte sie sich ihm gegenüber nun verhalten? Sollte sie ihn anschreien, sie endlich gehen zu lassen oder sollte sie sich kooperativ und nett geben, um ihm klar zu machen, dass keine Gefahr von ihr ausging? Die Entscheidung wurde ihr jedoch abgenommen, als Johann in freundlichem Tonfall fortfuhr: 
    „Ich will Ihnen echt nix Böses, aber ich weiß noch nicht, ob ich Ihnen vertrauen kann. Bis ich mir darüber im Klaren bin, werden Sie wohl noch ein bisschen mein Gast bleiben müssen.“ Der erstickte Schrei seiner Gefangenen ließ ihn kurz inne halten, dann sprach er ruhig weiter: „Ich hab Ihnen hier was zum Essen mitgebracht und vielleicht haben Sie es schon bemerkt – Sie sind hier in einem Mostkeller. Ja, ja … der gute, alte Apfelmost – des Schwaben liebstes Getränk. Sie sind ja keine Schwäbin, oder? Aber Sie werden sehen, wenn Sie sich erst mal dran gewöhnt haben, wird er Ihnen schon schmecken und mit einem gehörigen Rausch werden Sie Ihre missliche Lage besser verkraften können. Aus diesem Pappbecher wird er zwar nicht so gut schmecken, aber ich wollte Ihnen keinen Stein- oder Glaskrug bringen – nicht dass Sie mir noch auf dumme Gedanken kommen. Ich würde Ihnen nämlich gerne die Fesseln und den Knebel abnehmen – ich bin ja schließlich kein Unmensch. Schreien und Krach machen können Sie hier drin, so viel Sie wollen – das hört sowieso niemand. So, nun seien Sie mal schön artig und lassen sich die lästigen Stricke abnehmen. Draußen wacht mein Schäferhund und der würde Sie sowieso nicht vorbeilassen.“  
    Bei seinen letzten Worten lachte er doch kurz auf, besann sich dann aber sofort wieder auf seine fürsorgliche Rolle. Sie wusste wirklich nicht, wie sie bei ihm dran war. War er nun gefährlich oder hatte sie ihn wirklich nur durch ihre blöde Neugier verärgert? Sie musste sich auf jeden Fall ruhig und freundlich verhalten und beteuern, dass sie nichts Wichtiges auf seinem Schreibtisch gesehen hatte. Das musste er ihr einfach glauben. So räusperte sie sich nur kurz, als dieser ekelhafte Knebel endlich aus ihrem Mund heraus war und knetete sich die klammen und kribbelnden Hände. Dankbar nahm sie ihm den Korb ab und schaute gierig hinein. Obwohl sie es ihm nicht zeigen wollte … sie hatte solchen Hunger und vor allem Durst. Wenn Sie jetzt ohne zu essen ihren Durst mit Most stillen würde, wäre sie sofort betrunken und das wollte sie nicht. Sie wollte bei klarem Verstand bleiben, um immer Herr beziehungsweise Frau der Lage bleiben zu können. Also zwang sie sich, zuerst etwas zu essen und schlang gierig einen Ranken Brot mit Leberwurst und Essiggurken hinunter. Es schmeckte herrlich und sie schaute ihren Peiniger dankbar an.  
    „Schmeckt wunderbar, danke Johann. Haben Sie das Brot selbst gebacken?“ 
    „Nein, das hat meine Frau gebacken und es ist noch genügend in der Gefriertruhe. Die Gurken hat sie auch selbst eingemacht. Ich lasse Ihnen die Taschenlampe da, dann fühlen Sie sich vielleicht wohler. Ich gehe kurz rüber ins Haus und hole noch eine Liege und Bettzeug. Nicht weglaufen“, sagte er grinsend. „Bin gleich wieder da!“ 
    „Witzbold“, grummelte sie und suchte dann hastig nach dem Ausguss des Mostfasses, denn nun hielt sie es vor Durst kaum noch aus. Die Leberwurst hatte ihr Übriges getan, sie war sehr gut gewürzt gewesen und so stürzte sie das erste Glas Most in einem Zug hinunter. Angewidert verzog sie das Gesicht – das schmeckte ja wirklich sehr gewöhnungsbedürftig. Und das sollte nun für hoffentlich nicht allzu lange Zeit ihr einziges Getränk sein? Pfui Teufel und oh je! Da würde sie ja bald im Dauerdelirium sein. Sie war so viel Alkohol doch gar nicht gewohnt. Was sollte sie nur machen? Verdursten wollte sie auch nicht. Vielleicht konnte sie ihn doch um etwas Wasser bitten? Aber nicht mehr heute. Heute war er schon so freundlich zu ihr gewesen, das durfte sie nicht überstrapazieren. Wenn sie weiterhin lieb und nett zu ihm war, konnte sie vielleicht morgen eine weitere Forderung stellen. Und vielleicht half der Alkohol ihr ja auch dabei, in dieser ersten Nacht in diesem feuchtkalten Loch doch etwas Schlaf zu finden. 

10 
     
    Was sollte ich jetzt nur tun? Dieser Bauer wusste ganz genau, wer das auf dem Bild war,

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