Ohne Beweis (German Edition)
und ich fieberte der vereinbarten Uhrzeit entgegen. Pünktlich um zwanzig Uhr knatterte Nora mit ihrem roten Roller an und ich schwang mich hinten drauf. Das sah bestimmt komisch aus, denn ich überragte die junge Fahrerin um einen ganzen Kopf.
Nachdem wir unsere Pizzen bestellt hatten (Nora hatte darauf bestanden, mich einzuladen), kam ich auch gleich zur Sache und zog das Bild meines Vaters aus der Tasche.
„Das sein mein Vater. Ich nie kennengelernt, aber wissen, dass war auf Mühlenhof in Zeit nach 2. Weltkrieg. Bauer Bild gezeigt. Er sagen, kennen nicht, aber ich sehen, dass er meine Vater erkannt. Wie können beweisen?“, fragte ich verzweifelt und konnte nur hoffen, dass sie mein Kauderwelsch auch verstanden hatte. Doch Nora nickte nur und gab mir zu verstehen, dass sie darüber erst mal nachdenken musste. Da sowieso gerade unser Essen kam, nutzte sie die Zeit des Essens, um nachzudenken.
Dass sie wirklich angestrengt nachdachte, konnte ich in ihrem Gesicht lesen. Immer wieder vergaß sie, zu essen und ich erinnerte sie lächelnd daran, ihre wirklich sehr gute Pizza nicht kalt werden zu lassen. Als unser Geschirr abgeräumt war und der Kellner nicht mehr neben uns stand, sagte Nora:
„Wir müssen diesen Johann und seinen Hund irgendwie aus dem Haus locken, damit wir ein paar Stunden Zeit zum Suchen haben. Du verstehst?“, fragte sie dazwischen, als ihr klar wurde, dass sie wie gewohnt in ganz normalen Sätzen gesprochen hatte. Aber ich nickte und sie fuhr erleichtert fort:
„Wie ich das mache, das lassen Sie mal meine Sorge sein. Wie lange sind Sie noch hier?“
„Bis morgen und noch eine Tag“
„Das ist wenig, aber ich werde versuchen, dass es geht. Möchten Sie noch einen Kaffee oder Espresso oder Cappuccino oder was anderes? Einen Nachtisch vielleicht?“, fragte die überaus freundliche Nora, doch ich winkte ab. Sie hatte schon genug für mich getan und würde hoffentlich noch mehr tun.
„Nein danke“, sagte ich deshalb. „Sie sein so nett zu mir. Pizza war sehr gut, danke – viele danke!“
„Schon gut. Kein Thema. Ich hoffe nur, dass wir auf dem Hof auch was finden, das Ihnen weiterhilft. Sollen wir zurückfahren?“
„Ja. Ich noch schlafen. Morgen wieder früh raus“, sagte ich und wusste doch, dass ich vor Aufregung kein Auge würde zutun können. So wie ich diese junge Dame einschätzte, würde auch sie heute Nacht wachliegen und darüber nachgrübeln, wie sie den Bauern aus seinem Haus locken konnte. Hoffentlich war sie wirklich ein so helles Köpfchen, wie ich sie einschätze.
11
Doch um Noras Phantasie in dieser Sache noch mehr anzukurbeln, brauchte es einen entscheidenden Hinweis, und den bekam sie am nächsten Tag von Carolin, als die junge Schnüfflerin wieder in der Bücherstube beim Einräumen (diesmal waren die historischen Romane an der Reihe) half. Ganz beiläufig fragte Nora ihre „Chefin“ Carolin:
„Du, Carolin. Wie geht es eigentlich dem armen Johann? Warst du seit dem Tod seiner Frau mal wieder auf dem Mühlenhof?“
„Nein“, sagte Carolin nur und steckte ihre Nase noch tiefer in die Buchhaltung, die sie vor der Neueröffnung noch erledigt haben wollte. Sie hoffte wirklich, Nora würde jetzt nicht weiterfragen, wohlwissend, dass diese sich mit dieser Antwort nicht zufrieden geben würde.
„Warum nicht?“, fragte Nora natürlich sofort und schaute Carolin dabei herausfordernd an. So leicht würde sie nicht davon kommen. Irgendwas war hier im Busch, das spürte die junge Ermittlerin ganz deutlich. Gespannt wartete sie auf eine Antwort.
„Ich war doch in erster Linie mit Maria befreundet“, versuchte Carolin sich herauszureden, doch sie spürte selbst, wie fadenscheinig das klang. Die alte Bäuerin als Freundin zu bezeichnen, war dann doch etwas weit hergeholt, denn die alte Frau war schon sehr kränklich gewesen, als Carolin begonnen hatte, öfter auf den Hof zu gehen.
„Aber der Johann ist doch viel interessanter“, warf Nora frech ein. „Mit dem kann man sich doch sicher viel besser unterhalten, als mit der alten Bauersfrau. Dieser Johann macht zudem auch einen ganz weltoffenen und aufgeschlossenen Eindruck und für sein Alter sieht der doch noch richtig gut aus“. Das Wort „heiß“ oder „schnuckelig“ verkniff sie sich lieber.
„Ja schon …“, murmelte Carolin und wand sich innerlich. „Aber er ist trotzdem zwanzig Jahre älter als ich“.
„Ja und? Das ist doch kein
Weitere Kostenlose Bücher