Ohne Beweis (German Edition)
stürmisch in die Arme genommen und konnte so ihren Gesichtsausdruck nicht sehen. Schöner Mist! Was sollte sie nur tun? Ihr lief die Zeit davon, denn Kamil würde bald wieder abreisen. Da fiel ihr plötzlich ein, dass Joska die von ihrer Mutter selbstgebrannten verschiedenen Schnäpse noch gar nicht probiert hatte …
12
Endlich schlief Joska tief und fest. Nora konnte es am gleichmäßigen Schnarchen erkennen. Wenn er zu viel getrunken hatte, schnarchte ihr Freund immer ziemlich und da hätte sie sowieso nicht einschlafen können. Nun konnte sie nur hoffen, dass er so schnell nicht wieder wach werden und wie gewohnt nach ihr greifen würde. Zum Glück war Sommer und auch nachts recht heiß. Er würde also nicht ganz so dicht bei ihr liegen, wie er es sonst immer tat. Irgendein Körperteil berührte sie fast immer, doch heute nach dieser Unmenge von verschiedenen Schnäpsen war er einfach nur ins Bett gefallen und sofort eingeschlafen. Noras Plan hatte also funktioniert und sie konnte nun endlich das tun, was sie sich vorgenommen hatte.
Nora stellte ihr Rad vor der letzten Biegung ab und schlich zu Fuß zum Mühlenhof. Schon von weitem konnte sie erkennen, dass in einem Zimmer noch ein bläuliches Licht leuchtete. Fernseher oder Computer? Wie lange blieb denn so ein schwer arbeitender Bauer nachts wach? Musste der nicht früh raus? Und wo war der Hund des Nachts? Im Haus oder im Zwinger? Dies galt es als erstes herauszufinden und so schlich sich Nora äußerst behutsam in Richtung Zwinger. Wenn der Hund hier draußen war, müsste er sie doch sofort bemerken und sie würde ihr Vorhaben gleich wieder begraben können. Doch nichts rührte sich. Nora wurde mutiger und sah, dass die Zwingertüre offen stand. Doch war der Hund wirklich nicht dort drin? Lag er womöglich in der Hundehütte und der Bauer hatte nur vergessen, die Türe zu schließen? Mit wahnsinnigem Herzklopfen stellte sich die junge Schnüfflerin hinter die Gittertüre, um sie im Notfall sofort schließen zu können, und leuchtete einmal kurz mit ihrer Taschenlampe in das kleine Häuschen.
Kein Hund drin und auch sonst blieb alles ruhig.
Dennoch schloss Nora die Gittertüre. So würde sie sich etwas wohler fühlen. Vorsichtig schlich sie weiter in die nächstgelegene Scheune – es war die Garage für sein Auto und zwei Traktoren. Irgendwo musste sie ja anfangen. Sie zog jede Schublade auf, schaute ins Handschuhfach des Wagens und suchte nach versteckten Türen in den Wänden und im Boden. Doch sie fand nichts, was ihre Aufmerksamkeit erregt hätte. Kein alter Koffer, keine Truhe oder Sonstiges, worin sich irgendwelche alten Dokumente oder anderes altes Zeug aufbewahren ließen. Denn im Grunde suchte sie genau nach so etwas – nach alten Briefen oder Tagebüchern, die beweisen würden, dass Kamils Vater hier gewesen war. Seufzend ging Nora über den Hof, um in die nächste Scheune zu gelangen. Diese war aber verschlossen und auch die Kellertüre zum Haus war zugesperrt. Hatte der alte Bauer also doch Angst vor Einbrechern? Als Nora dann um die Ecke bog, um die letzte Scheunentüre in Augenschein zu nehmen, stolperte sie über einen Blecheimer, was ein ohrenbetäubendes Scheppern erzeugte. Sofort schlug im Haus der Hund an. Nora ergriff instinktiv die Flucht und rannte im Schutz der Dunkelheit in den angrenzenden Wald. Würde der Bauer den Hund loslassen? Wo konnte sie sich vor ihm in Sicherheit bringen? Nora wollte kein Licht machen und so kroch sie mehr auf allen Vieren weg vom Hof, immer in der Hoffnung, dass Johann seinen Hund in der Dunkelheit nicht alleine in den Wald laufen lassen würde.
Die ins Dickicht Geflohene bekam nicht mit, dass Johann alle Lichter im Hof angemacht und mit dem Hund an der Leine herausgekommen war. Der Hund zog zwar vom umgestürzten Eimer aus in den Wald, doch Johann hatte keine Lust, nach einem Marder oder Dachs zu suchen. Denn was sollte es sonst gewesen sein? Niemand würde es wagen, nachts hier herumzuschnüffeln, wo er doch zu Hause war und der Hund über Haus und Hof wachte!
Nora war inzwischen auf der anderen Seite wieder aus dem Wäldchen getreten und arbeitete sich nun mühsam im Dunklen zurück zu ihrem Fahrrad. Warum musste auch ausgerechnet heute kein Mond die Nacht erhellen? Andererseits war genau dieser Umstand für ihr heutiges Abenteuer von Vorteil gewesen, doch was hatte es ihr gebracht? Gar nichts! Nichts hatte sie herausgefunden und bereits beim nach Hause fahren grübelte
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