Ohne Beweis (German Edition)
sie über eine andere Lösung nach.
Die arme Frau im Mostkeller war bei dem ungewöhnlichen Scheppern aufgewacht und fragte sich, wie viel Uhr es wohl sein mochte? Zum wiederholten Male verfluchte sie sich, dass sie keine Uhr hatte, denn ihr Handy hatte dieser elende Johann ihr abgenommen. Konnte es schon Morgen sein? Wie lange hatte sie geschlafen? Um welche Uhrzeit hatte Johann ihr gestern Abend ihr Essen gebracht? Falls es doch noch mitten in der Nacht war, denn eigentlich war sie noch hundemüde und überhaupt nicht ausgeschlafen, was hatte dann da so laut gescheppert? Es musste sehr laut gewesen sein, da sie es durch die dicken Steinmauern hindurch gehört hatte. Ob es wohl draußen stürmte oder war irgendein Tier auf den Hof gekommen und hatte etwas umgestoßen? Wenn sie doch nur etwas vom Leben da draußen mitbekommen würde! Plötzlich wurde sie wütend und sprang auf die Füße. Sofort wurde ihr schwindelig und sie verfluchte diesen verdammten Most.
Sie musste hier raus!
In wilder Raserei klopfte sie an die Steinwände, bis ihre Haut brannte. Doch plötzlich gab einer der Steine etwas nach und sie hielt erschrocken inne. Was war das? Tastend versuchte sie in dieser schrecklichen Dunkelheit zu erkennen, ob man diesen Stein bewegen konnte und wenn ja, in welche Richtung. Ließ er sich weiter hineinschieben, oder sogar herausziehen? Ihr Herzschlag beschleunigte sich. Sie musste ihre ganze Kraft aufwenden, doch bald gelang es ihr, einen circa dreißig auf fünfzehn Zentimeter großen Stein aus der Mauer zu ziehen. Er war länger als erwartet und so fiel er ihr wegen seines doch beträchtlichen Gewichtes herunter und direkt auf ihren großen Zeh. Da sie vorhin bereits im Bett gewesen war, hatte sie keine Schuhe angehabt, als sie plötzlich aufgesprungen war. Mit schmerzverzerrtem Gesicht und undamenhaft fluchend, robbte sie zurück zu ihrem Bett und holte die Taschenlampe. Doch plötzlich hörte sie draußen Schritte und die Türklinke bewegte sich nach unten. Es kam jedoch niemand herein oder sagte etwas. (Johann hatte sich nur vergewissern wollen, dass seine Gefangene nicht herausgekommen und für das Scheppern verantwortlich gewesen war.)
Minutenlang traute die verängstigte Frau sich nicht, sich zu rühren. Doch als sie glaubte sicher zu sein, dass niemand mehr vor der Türe stand, siegte wieder einmal ihre Neugier und sie hielt atemlos die Taschenlampe in die Öffnung der Steinmauer. Sie war so aufgeregt, dass sie ihren immer stärker pochenden Zeh völlig ignorierte. Erkennen konnte sie jedoch nichts und so nahm sie all ihren Mut zusammen und griff hinein. Tastend wühlte sie in dem Hohlraum herum, bis sie seitlich einen Griff ertastete. Was würde passieren, wenn sie daran zog?
13
Nora wollte und konnte nicht einfach so aufgeben. Wenn sie schon nicht an den Bauern herankam und keine Möglichkeit fand, auf dem Mühlenhof herumzuschnüffeln – vielleicht war im Archiv der Gemeinde etwas über die Zeit nach dem Krieg zu finden? Vielleicht konnte sie in den alten Schriften und Dokumenten etwas über den Verbleib dieses Rodzinskys finden? Mit neuem Mut machte sie sich am nächsten Tag auf ins alte Rathaus, wo sich das Archiv befand. Doch zu ihrem Leidwesen waren die Rathausmitarbeiter gerade dabei, alles in Kartons zu verpacken und ins neue Rathaus zu schaffen.
„Momentan können Sie keine Dokumente ansehen, Frau Angerer. Das wird noch ein paar Tage dauern, bis wir alles im neuen Rathaus in die neue Schieberegistratur geräumt haben. Es wird schon nicht so wichtig sein, dass es nicht noch ein paar Tage Zeit hat, oder?“, fragte Frau Schneider, die trotz des Umzugsstresses freundlich blieb.
Nora konnte natürlich nicht sagen, dass es sehr wohl äußerst dringend war, denn morgen würde Kamil schon wieder abreisen. Was konnte sie jetzt noch tun? Eigentlich hätte ihr von vorn herein klar sein müssen, dass die Zeit einfach zu knapp war. Auch die zwei Tage wären so oder so zu kurz gewesen, das sah sie nun ein und so blieb nur noch die Möglichkeit, Kamil dazu zu überreden, dass er doch noch ein paar Tage Urlaub dranhängte. Morgen war Wochenende und da hatte sie sowieso keine Zeit. Sie musste mit auf die Messer-Ausstellung nach München und die ging bis Sonntag. Die Fahrtkosten, die Kamil dann unweigerlich haben würde, nahm sie sich vor, ihm zu erstatten. Zu wichtig erschien ihr selbst diese Suche nach seinem vermissten Vater. Sie konnte sich gut vorstellen, wie Kamil sich
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