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Ohne Beweis (German Edition)

Ohne Beweis (German Edition)

Titel: Ohne Beweis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Mehnert
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durcheinander! Wie alt war der Sohn wohl damals gewesen? Leider war auf dem Brief kein Datum, aber es musste ja im Jahre 1945 gewesen sein, oder? Das genaue Datum des Kriegsendes wusste sie nicht mehr genau, was ja ziemlich peinlich war, aber das alles war doch schon so lange her. Der Bauer war jetzt, wenn er ihr sein richtiges Alter verraten hatte, so um die sechzig, also war er damals noch gar nicht auf der Welt. Dann musste dieser Johann in dem Brief entweder sein Vater oder ein Knecht gewesen sein. Wenn nun der heutige Bauer Johann doch schon etwas älter war, könnte es sogar sein, dass er den Mord an den Plünderern mit eigenen Augen gesehen hatte. Erinnern würde er sich daran aber sicher nicht mehr, da wäre er noch ein Kleinkind gewesen.  
    Aufgeregt öffnete die Frau nun den letzten Brief, der in einer anderen Handschrift verfasst war. Was sie nun las, ließ ihr das Blut in den Adern gefrieren. 
     
    Liebe Tante Clara, 
    ich finde es ganz lieb von dir, dass du mich zu dir nehmen willst. Nachdem, was dieser Pole mir angetan hat, kann ich nicht mehr hier auf dem Hof meiner Eltern bleiben. Mein Bruder hat mir zwar versichert, dass der Pole mir nie wieder etwas antun könne, aber wie kann er da so sicher sein? Woher will Johann das wissen? Er wird ihm doch nichts angetan haben? Verdient hätte er es natürlich, aber ich will nicht schuld daran sein, dass jemand umgebracht wurde! Und ich will auch nicht die Schwester eines Mörders sein. Johann sagt mir nicht, was mit dem Rodzinsky passiert ist, aber ich kann es mir dennoch denken! Es ist alles so schrecklich und ich fühle mich so schmutzig und schuldig. Hoffentlich kannst du mir helfen zu vergessen! Nächste Woche werde ich mit dem Zug zu euch kommen. Danke schon mal für alles, liebe Tante. 
    Deine Nichte Hildegard 
     
    Fassungslos ließ die inzwischen haltlos zitternde Frau den Brief sinken. Diesmal war sie sich ganz sicher, dass der erwähnte Johann der Bauer vom Mühlenhof sein musste, daran gab es in ihren Augen keinen Zweifel. Hatte der damals jugendliche Johann den Peiniger oder vielleicht sogar Vergewaltiger seiner Schwester wirklich umgebracht? Konnte er für diese Tat heute noch zur Rechenschaft gezogen werden und konnte das überhaupt noch bewiesen werden? Plötzlich wurde ihr noch kälter, als es ihr in Ermangelung einer weiteren Decke eh schon war. Ein potentieller Mörder hielt sie hier unten gefangen. Wer einmal getötet hat, dem fällt ein weiterer Mord nicht mehr so schwer. Was hielt sie hier nur in Händen? Als wäre der Brief vergiftet, warf sie ihn wieder zurück zu den anderen in die Kiste. Sie musste diese sofort wieder zurück an ihren Platz tun und niemandem davon erzählen. Johann durfte auf gar keinen Fall irgendeinen Verdacht schöpfen. 
     
    So verhielt sich die Frau auch betont lässig und ruhig, als Johann ihr am nächsten Morgen ihr Frühstück brachte. Er hatte sich mächtig ins Zeug gelegt und ihr heute sogar ein weich gekochtes Ei und Orangensaft zu ihrem Butterbrot gebracht. Der eigene Honig und die selbstgemachte Marmelade waren ein Traum und wenn ihre Situation nicht so niederschmetternd gewesen wäre, hätte sie dieses tolle Frühstück sogar genießen können. So aber war sie nur auf der Hut, ihren Peiniger nicht zu verärgern und sich kooperativ zu zeigen. Doch Johann schien heute sowieso einen guten Tag zu haben, denn er holte ihr Handy hervor. Was sollte sie hier unten damit? Hier hatte sie doch bestimmt keinen Empfang. Als hätte er ihre Gedanken gelesen, sagte Johann in freundlichem Plauderton: 
    „Ich möchte, dass du deiner Familie oder Freunden … ist mir egal … eine Nachricht schickst, dass es dir gut geht und niemand sich Sorgen machen muss. Du hättest eine Überraschung geplant und das würde noch eine Weile dauern. Bereite die SMS einfach vor, ich schicke sie dann von draußen ab. Hier!“ Damit reichte er ihr das Smartphone und nickte auffordernd.  
    Zögernd nahm sie es entgegen. Sie musste seiner Aufforderung nachkommen, eine andere Wahl hatte sie nicht. Sie hatte auch nicht den Hauch einer Idee, wie sie es anstellen konnte, ihrer Familie eine andere Nachricht zukommen zu lassen. Widerwillig, als wäre ihr Telefon etwas, was sie eigentlich nicht anfassen sollte, nahm sie es und tippte die geforderte Nachricht ein. Doch an wen sollte sie die SMS schicken? Sie hatte niemandem erzählt, wo sie hingehen wollte und wer würde nach dieser Nachricht vermuten, dass sie Hilfe brauchte? Niemand! Doch

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