Ohne Beweis (German Edition)
augenblicklich – gab es hier vielleicht ein Echo? Doch dann hörte ich in der völligen Dunkelheit ein schabendes Geräusch und ich versuchte zu lokalisieren, woher das kam. Stöhnend versuchte ich mich aufzusetzen, doch ein heftiger Schmerz durchzuckte mich diesmal am Bein. Was war nur mit mir passiert? Ich tastete hinunter zu meiner Wade und fasste in etwas Feuchtes. Anscheinend war meine Hose zerrissen und ich hatte in eine Wunde gefasst. Jedenfalls schmeckte das Nasse nach Blut. Wo war ich sonst noch verletzt?
Plötzlich flammte ein Licht in der Ecke des modrig riechenden Raumes auf und blendete mich.
„Wer sind Sie?“, fragte eine zaghafte und äußerst ängstlich klingende weibliche Stimme. Wie konnte sie vor jemandem Angst haben, der verletzt und gefesselt vor ihr lag? Meine Arme waren auf den Rücken gebunden und das kratzige Seil schnitt mir schmerzhaft ins Fleisch.
„Kamil Rodzinsky“, stellte ich mich krächzend vor, denn meine Stimme wollte nicht so richtig in Fahrt kommen. Wie lange lag ich denn hier schon herum? Hätte ich lieber einen anderen Namen erfinden sollen? Wer war diese Frau überhaupt und wo waren wir hier eingesperrt?
„Sie sind ja verletzt!“, rief die Frau entsetzt, denn anscheinend hatte sie das jetzt erst im Schein ihrer Taschenlampe bemerkt. Wohl auch, dass ich gefesselt war, denn zögernd kam sie näher.
„Darf ich mir das mal ansehen?“, fragte sie und ich nickte. Schaden konnte es ja nicht und mein Bein tat wirklich höllisch weh.
„Wie du heißen?“, fragte ich und outete mich damit als Ausländer.
„Sa … äh … Susi … Steiner. Woher kommen Sie?“, fragte sie dann auch sogleich und ich antwortete ihr wahrheitsgemäß. Wir waren wohl Schicksalsgefährten und ich sah keine Veranlassung, sie anzulügen. Ob sie mir ihren richtigen Namen verraten hatte, konnte ich natürlich nicht beurteilen, doch trotz ihres Stotterns ging ich davon aus. Warum sollte sie mich anlügen?
„Das sieht aber gar nicht gut aus“, murmelte sie, was ich einigermaßen verstand. Sie hatte Recht, denn auch ich konnte jetzt im Schein der Taschenlampe erkennen, dass meine Wade übel zugerichtet war. Ganz allmählich dämmerte mir, was passiert war! Kaum hatte ich die obere Türe am Ende der steilen Holztreppe aufgedrückt, war ich von einem haarigen Etwas wieder hinuntergestoßen worden. Im Fallen hatte ich mir den Kopf angestoßen und der Hund war über mich hergefallen. Mehr wusste ich nicht, auch nicht, wie ich hier her gekommen war und wo wir uns befanden. Vielleicht wusste diese Frau mehr darüber?
„Wo wir sind?“, fragte ich deshalb und pfiff durch die Zähne, als sie meine Hose vollends aufgerissen und mit den Stofffetzen nun die Wunde säuberte. Während sie auf ein großes Fass zu ging und eine gelbliche Flüssigkeit in einen Pappbecher laufen ließ, erklärte sie mir, wo wir uns befanden: Bei Bauer Johann im Mostkeller. Was zum Teufel war ein Mostkeller? Doch das erfuhr ich dann bald, denn Susi gab mir diese Flüssigkeit zu trinken und schüttete dann den Rest ohne Vorwarnung auf meine Wunde. Das brannte höllisch, doch ich riss mich zusammen. Wenn ich keine andere ärztliche Versorgung in Aussicht hatte, war Alkohol wohl noch das Beste, was ich hier bekommen konnte. Sowohl von innen wie auch von außen.
„Danke“, murmelte ich stattdessen und nahm dankbar auch den zweiten Becher in Empfang. Schmeckte zwar etwas seltsam, doch ich wusste nun, was ich hier trank: Apfelwein. Zumindest kannte ich das Gesöff unter diesem Namen.
„Essen?“, fragte ich zaghaft, denn mein Magen knurrte vernehmlich. Wie lange war es wohl her, dass ich etwas gegessen hatte?
„Tut mir leid. Ich hab alles aufgegessen. Ich konnte ja nicht ahnen, dass ich heute noch Besuch bekommen würde“, sagte die freundliche Frau, die ich auf circa fünfzig Jahre schätzte. Wenn sie nicht so blass, müde und schmutzig gewesen wäre, hätte sie sogar recht attraktiv aussehen können. Wie lange sie wohl schon hier ausharren musste?
„Entschuldige, du verstehst sicher gar nicht alles, was ich hier von mir gebe. Also … kein Essen – alles leer. Du verstehen?“, versuchte sie es noch einmal, doch ich hatte vorher schon verstanden, dass ich weiterhin würde Hunger leiden müssen. Anscheinend versorgte unser Peiniger (dass es der Bauer vom Mühlenhof war, stand für mich außer Frage) die Dame wenigstens mit Essen. Würde er mir auch etwas bringen und wenn ja, wann? Wie spät
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