Ohne Beweis (German Edition)
schattigen Winkel sicher und winkte ihrem Freund kurz zu. Das hätte sie besser bleiben lassen, denn Johann hatte aus den Augenwinkeln eine Bewegung gesehen und blitzschnell sein Taschenmesser gezückt. Dieses hielt er nun der erstarrten Nora an den Hals - augenblicklich war Johann wieder nüchtern geworden.
„Wen haben wir denn da?“, fragte er gefährlich ruhig. „Bist du nicht das neugierige Weib, das immer so viele Fragen stellt?“ Dabei zerrte er ihren Kopf an den Haaren schmerzhaft nach hinten. Nora biss sich auf die Lippen. Sie durfte ihn nicht provozieren. Joska würde was unternehmen – er musste einfach!
Doch Joska, der sich instinktiv hinter den großen Traktor geduckt hatte, war seinerseits wie gelähmt. Was sollte er nur tun? Er hatte seine Dienstwaffe zwar dabei, aber es war zu dunkel. Er konnte unmöglich schießen. Nervös nestelte er sein Handy heraus und musste zum hunderttausendsten Mal feststellen, dass dieser blöde Akku leer war. Wie oft war ihm das nun schon passiert? Wenn Nora wegen seiner Nachlässigkeit und Dummheit nun etwas passieren würde? Niemals würde er sich das verzeihen. Er musste doch irgendetwas tun können!
Plötzlich sah Joska eine Kettensäge auf dem Ausleger des Traktors liegen. Ohne weiter zu überlegen, warf er das Ding an und war seinem Vater unendlich dankbar, dass er ihm beigebracht hatte, wie man so ein Gerät zu bedienen hatte. Mit lautem Getöse sprang der Motor auch sofort an und bevor Joska überhaupt überlegen konnte, was er jetzt damit anfangen sollte, ließ sich Nora geistesgegenwärtig einfach fallen und Johann ließ sie vor Überraschung los. Diese Aktion bescherte ihr zwar einen heftigen Kratzer am Kinn, doch sie schaffte es, in den Wald zu entkommen. Joska traute sich nun, nachdem er Nora zunächst in Sicherheit wusste, mit gezogener Waffe aus seiner Deckung. Womit er nicht gerechnet hatte, war die Wut und die Treffsicherheit des vorher noch volltrunkenen Bauern, denn dessen geworfenes Taschenmesser traf Joska mitten am Oberschenkel und es blieb dort stecken.
Nora sah dies alles aus sicherer Entfernung, doch als Johann drohend auf den am Boden liegenden Joska zuging, brannten bei ihr alle Sicherungen durch. Sie rannte zurück und warf sich von hinten auf den Angreifer. Johann wankte unter dem Gewicht und kippte dann wie in Zeitlupe zur Seite. Er schlug mit dem Kopf auf einen großen Grenzstein auf und blieb liegen.
„Oh mein Gott, Joska! Hat er dich wirklich getroffen?“ Nora konnte es noch immer nicht fassen. Das Messer steckte wirklich im Oberschenkel und nur ein kleines Rinnsal an Blut suchte sich seinen Weg an Joskas Knie vorbei. Ihr Freund sah blass aus und lag zu keiner Erwiderung mehr fähig vor ihr im Dreck. Er schaute zu ihr auf und fing plötzlich an, wie irre zu lachen.
„Carolin!“, schrie Nora aus Leibeskräften gegen den immer stärker werdenden Wind an. „Carolin! Ruf den Notarzt! Schnell!“
Doch Carolin war schon auf dem Weg nach unten in den Hof.
„Hab ich schon, Nora. Die sind schon seit ein paar Minuten unterwegs. Als ich mitbekommen hab, wie Johann dich mit dem Messer bedroht hat, hab ich sofort die Polizei und den Notarzt angerufen. Die müssten bald da sein. Was ist mit Johann?“, fragte sie nun doch besorgt, denn der rührte sich immer noch nicht.
„Ist mir doch egal“, schnauzte Nora sie an, doch Carolin legte ihr beschwichtigend den Arm um die Schultern.
„Das weiß ich doch, Nora. Aber was ist, wenn er wieder aufwacht und erneut auf uns losgeht?“, fragte sie besorgt.
„Dann fesseln wir ihn eben“, entschied die immer noch äußerst wütende und erregte Nora, doch Johann kam ihr zuvor und packte sie plötzlich schmerzhaft am Arm. Er zog sie zu sich hinunter und die junge Frau wusste instinktiv, dass nun doch keine Gefahr mehr von ihm ausging. Sie hielt ihr Ohr an seinen Mund und er flüsterte:
„Hier – der große Schlüssel … zum Gewölbekeller. Holt sie da raus. Ich … ich … wollte das … alles … ni …“
Sein Kopf sackte zur Seite und Nora wusste, dass es vorbei war. Der Notarzt, der ein paar Minuten später eintraf, konnte nur noch den Tod des Bauern feststellen. Das bekam jedoch nur Joska mit, während er selbst versorgt wurde. Carolin und Nora waren sofort zum Gewölbekeller gerannt und hatten dort eine fremde Frau in einigermaßen gutem Zustand vorgefunden und Kamil, der mit hohem Fieber schweißgebadet mit dem Kopf in deren Schoß lag.
In
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