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Ohne Beweis (German Edition)

Ohne Beweis (German Edition)

Titel: Ohne Beweis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Mehnert
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doch nun kamen die finsteren Gedanken wieder hoch. Warum meldete sich Carmen nicht mehr? Ihre Kinder hatten gestern vergeblich auf einen Anruf gewartet, das wusste sie von Carolin, mit der sie heute früh telefoniert hatte. Anscheinend hatte Fridolin sie auch vormittags nicht erreichen können, sonst hätte Carolin ihr schon längst Bescheid gesagt. Warum meldete sie sich denn nicht mehr? So verliebt konnte man doch in ihrem Alter gar nicht mehr sein, um seine eigenen Kinder zu vergessen, oder? 

27 
     
    „Noch ein Schluck Wein?“, fragte ich gurrend und legte meinen Arm um Carmen. Wir hatten inzwischen die zweite Flasche fast leer getrunken, wobei das meiste meine leise summende Freundin geleert hatte. Es war nicht schwer gewesen, sie zu überreden, die letzte Nacht am Ufer der Ostsee unter freiem Himmel zu verbringen. Es war eine sternenklare Nacht und wir lagen eng umschlungen auf meiner alten Picknickdecke.  
    „So schön hatte ich mir dein Land gar nicht vorgestellt, Kamil“, seufzte Carmen wohlig und kuschelte sich noch enger an mich. „Der Strand – das Meer – die dichten Wälder. Das ist alles wildromantisch“, befand sie und ließ mich meine Heimat mit anderen Augen sehen. Ich hatte schon vergessen, wie schön es hier war, wenn man die Augen vor dem Dreck und der Verwahrlosung mancherorts verschloss. 
    Es war fast schon Mitternacht, aber immer noch angenehm warm. Die anderen Badegäste gingen nach und nach zu ihren Autos oder anderen fahrbaren Untersätzen, denn dieser Strand lag außerhalb der Stadt nahe einem kleinen Wäldchen. Vielleicht lagen vereinzelt noch verliebte Pärchen irgendwo im Gebüsch, doch hören konnte man inzwischen niemanden mehr. Wir schienen ganz alleine auf der Welt zu sein und das ließ mich mutiger werden. Ich nahm Carmen das leere Glas aus der Hand und zog sie sanft zu mir heran. Sie sträubte sich nicht - ich ging aufs Ganze und küsste sie vorsichtig. Nur zögerlich erwiderte sie meinen Kuss, doch ich ließ nicht locker und machte von ihrem Duft und ihrem weinschwangeren Geschmack angetörnt weiter. Ihr anfänglicher Widerstand schwand unter meinen fordernden Küssen und so traute ich mich irgendwann, die Spaghettiträger ihres dünnen Sommerkleides herunterzuziehen. Als ich jedoch in die Nähe ihrer Brüste kam, verkrampfte sie sich plötzlich und schob mich stöhnend von sich. 
    „Nicht!“, zischte sie. „Lass mich!“ Sie zog ihren Träger wieder hoch und sah dabei aus wie ein verängstigtes Schulmädchen. Was hatte sie nur plötzlich? 
    „Was ist?“, fragte ich und versuchte, sie wieder an mich zu ziehen, doch sie stand abrupt auf und brachte etwas Abstand zwischen uns.  
    „Ich kann das nicht, Kamil. Ich bin noch nicht so weit. Sei nicht böse, aber ich möchte jetzt nach Hause“, sagte sie mit so verzweifeltem Blick, der mich noch mehr in Verwirrung stürzte. Was war nur los? Sie hatte doch immer so getan, als würde sie mich mögen, ja vielleicht sogar lieben? Heute war doch unsere letzte Nacht – warum wollte sie sich mir nicht hingeben?  
    „Komm zurück!“, zischte ich leise, denn plötzlich konnte ich meine aufgestauten Gefühle nicht mehr zurückhalten. Ich wollte sie jetzt - hier auf dieser Decke und zwar sofort! Endlich hatte ich es geschafft, dass ich jemanden nahe an mich heranließ und nun wollte sie mich nicht. Bisher war ich mir immer vorgekommen, als wäre ich innerlich tot – als könnte ich weder Trauer, Wut noch Freude oder sogar Liebe empfinden. Nun hatte ich zum ersten Mal in meinem Leben einen Funken Liebe verspürt und nun wurde ich zurückgewiesen. War ich es also doch nicht wert, geliebt zu werden? Mein Innerstes gefror wieder zu Stein und ich hieß das mir so vertraute Gefühl willkommen.  
    Carmen entfernte sich immer weiter von mir – rückwärtsgehend – in Richtung Dickicht. Was konnte sie schon tun, hier so alleine im Wald? Sie kannte sich hier nicht aus, wir waren mit meinem Moped gekommen – sie würde doch nicht …  

29 
     
    „Joska! Endlich kann ich dich erreichen! War dein Akku schon wieder leer?“, schimpfte Nora ins Telefon, doch sie wartete erst gar keine Antwort ab, sondern redete gleich weiter. 
    „Carmen ist nun schon seit drei Tagen nicht erreichbar, Joska! Wir müssen jetzt endlich eine Vermisstenanzeige aufgeben, meinst du nicht auch?“ 
    „Das liegt nicht an uns, das muss die Familie tun, Nora. Hast du schon mit Carolin und den Kindern darüber gesprochen?“ 
    „Ja, hab ich und die

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