Ohne Beweis (German Edition)
sagen auch, dass man was unternehmen sollte. Wir würden ja selbst nach ihr suchen, aber wir wissen über Kamil außer seinem Nachnamen und seiner Staatszugehörigkeit gar nichts! Die Telefonnummer aus Danzig, die er bei seinem Chef von der Pflastererfirma hinterlassen hat, ist abgemeldet und eine Handynummer ist uns nicht bekannt. Carmens Handy ist auch nicht erreichbar – vielleicht könnt ihr es orten?“, fragte Nora ganz in ihrem Element.
„Du warst ja schon fleißig. Gib mir doch mal die Handynummer von Carmen, dann schau ich, ob unser Ortungssystem was anzeigt“, sagte Joska hilfsbereit, obwohl er offiziell noch gar keinen Auftrag wegen der Suche nach Carmen hatte. Aber wie so oft dachte er gar nicht näher darüber nach – er handelte einfach instinktiv.
Nach ein paar Minuten bangen Wartens klingelte Noras Handy.
„Nichts – leider. Das Handy ist wohl ausgeschaltet. Aber ich hab den Kollegen darauf angesetzt, es immer mal wieder zu versuchen. Vielleicht schaltet sie es ja wieder ein“, hoffte Joska, doch Nora gab sich damit nicht zufrieden.
„Und in der Zwischenzeit tun wir gar nichts?“, fragte sie aggressiv, da sie sich wirklich große Sorgen um Carmen machte. Warum das so war, wusste sie selbst nicht genau. Sie hatte einfach ein ungutes Gefühl, wenn sie an Carmen und Kamil dachte.
Joska jedoch wusste, warum er im Falle der vermissten Carmen ein komisches Gefühl im Bauch hatte. War nicht in Kamils Familie schon einmal ein Verbrechen geschehen? War es nicht möglich, dass Kamil doch etwas mit Carmens Verschwinden zu tun hatte? Er wollte Nora jedoch nicht noch mehr beunruhigen und so sagte er ihr nichts von dem, was er über Kamil glaubte zu wissen. Denn hundertprozentig bewiesen war es nicht, dass Kamils Vater ein Vergewaltiger war und so sagte Joska nur beschwichtigend:
„Nun mach dir nicht so viele Sorgen, Noraschatz. Carmen ist eine erwachsene Frau und verliebt – da macht man schon mal seltsame Sachen, die für die Familie nicht unbedingt nachvollziehbar sind. Aber wir werden auf jeden Fall versuchen, Kamil ausfindig zu machen – das dürfte mit den Arbeitnehmerdaten der Pflastererfirma ja nicht so schwer sein“, meinte er zuversichtlich und konnte seine Nora damit vorerst vertrösten. Er konnte nur hoffen, dass sie nicht schon wieder eigenmächtig irgendwelche Ermittlungen anstellte.
30
Die Schmerzen kamen explosionsartig und zwangen die Frau, liegen zu bleiben und ihren Kopf wieder vorsichtig auf den Waldboden gleiten zu lassen. Sie zitterte unkontrolliert und wusste nicht, wo sie war. Es war dunkel und der kühle, feuchte Waldboden drang unangenehm durch ihr dünnes Kleid. Wie kam sie hierher und was noch viel wichtiger war – wer war sie? Sie konnte sich an nichts mehr erinnern. Sie wusste weder wie sie hieß, noch wo sie wohnte, noch sonst etwas aus ihrer Vergangenheit. Warum lag sie hier und was war mit ihrem Kopf passiert? Die Schmerzen waren unerträglich – sie fühlte sich, als würde eine ganze Bergbautruppe in ihrem Kopf hämmern. Vorsichtig befühlte sie eine besonders schmerzende Stelle und fasste in etwas Warmes und Feuchtes.
War das Blut? fragte sie sich entsetzt, denn sehen konnte sie nichts. Zögernd steckte sie sich einen Finger in den Mund und fand sofort bestätigt, dass sie blutete. Wie schlimm war es und hatte sie schon viel Blut verloren? Sie fühlte sich jedenfalls total schwach und nicht in der Lage, aufzustehen. Aber sie konnte hier doch nicht liegen bleiben. Sie musste hier weg! Sie musste ins Krankenhaus – sie brauchte vor allem etwas gegen diese üblen Schmerzen und woher sollte sie wissen, ob sie nicht ernstlich verletzt war? Vielleicht konnte sie Hilfe holen? Hatte sie ein Handy bei sich?
Mit neuer Hoffnung kramte sie in den Taschen ihres dünnen Kleidchens, doch da war nichts. Vielleicht war es herausgefallen? Wie sollte sie in dieser Dunkelheit etwas finden? Dennoch suchte sie auf den Knien robbend die Umgebung ab, fand aber nichts. Nur einen dicken Ast hatte sie ertastet – vielleicht konnte sie sich auf diesen stützen und einfach loslaufen? Irgendwo musste sie doch rauskommen aus diesem dichten Wald – irgendwo mussten doch Menschen sein, die ihr helfen konnten.
Mit neuem Mut und zusammengebissenen Zähnen rappelte sie sich hoch, fiel jedoch sofort wieder auf die Knie. Ihr Knöchel hatte beim Auftreten einen stechenden Schmerz durch ihren Körper gejagt und sogar kurzfristig die rasenden Kopfschmerzen
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