Ohne Beweis (German Edition)
können, mir von meinem Vater zu erzählen. Sie hatte in einem unbedachten Moment beiläufig erwähnt, dass es für mich besser wäre, wenn ich nicht weiter nach meinem Vater suchen würde, aber mehr wollte sie einfach nicht sagen! Was wusste sie über ihn und warum sollte ich es nicht erfahren? Dass er tot sein würde, war mir eigentlich von vornherein klar – also … was konnte so schlimm sein, dass sie es mir nicht verraten wollte? Was konnte ich noch tun, damit sie mir erzählte, was sie wusste? Ich hatte doch schon alles in meiner Macht stehende getan, um ihr Vertrauen zu gewinnen. Wir waren uns doch schon so nahe gekommen und morgen würde sie wieder abreisen. Nur eines hatte sie bisher noch nicht zugelassen – wir hatten noch nicht miteinander geschlafen. Vielleicht konnte sie das dazu bringen, sich mir ganz anzuvertrauen? Ich musste es versuchen, obwohl ich mir inzwischen eingestehen musste, dass meine größte Triebfeder bei der Sache mit Carmen die Vergangenheit und der Verbleib meines Vaters war. Meine anfänglich geglaubte Verliebtheit trat in den letzten Tagen immer mehr in den Hintergrund.
Ob sie spürte, dass ich momentan nicht mehr mit ganzem Herzen bei ihr war?
Ich musste mich noch mehr zusammenreißen und mich noch mehr um sie bemühen. Das konnte doch nicht so schwer sein. Doch wie konnte ich es anstellen, dieser Frau zu imponieren, mit keinem Cent in der Tasche?
Doch plötzlich hatte ich eine Idee …
26
Währenddessen stand Nora in der Raiffeisenbank Ottenbach am Kontoauszugsdrucker und hörte amüsiert den beiden alten Frauen zu, wie sie übers neue Rathaus sprachen:
„Du, warsch du scho in dem nuia Ottabacher Rathaus?“, fragte die eine und deutete hinüber zu dem imposanten Neubau.
„In dem riesiga Schtoikasta?“, fragte ihr Gegenüber und verzog dabei angewidert das runzelige Gesicht.
„Ja, aber so groß isch des doch gar net – wenn man von dr Kirch her naschaut!“ Damit hatte sie vollkommen Recht, denn das am Hang stehende Gebäude war so konzipiert, dass man in alle drei Stockwerke barrierefrei gelangen konnte.
„Des war ja au sauschwierig, des nuie Rathaus in den Hang da nei zu baua. Der beschde Platz für a Rathaus is ja scho besetzt!“, meinte die andere und Nora fragte sich sogleich, welchen Platz die Dame wohl meinen könnte.
„Und welcher wär des, deiner städtebaulichen Meinung nach?“, wollte ihre Bekannte dann auch sofort wissen.
„Na welcher wohl? Der wo die Kirch stod, isch doch klar!“, antwortete sie und Nora musste sich ein Grinsen verkneifen. Wo die Frau Recht hatte, hatte sie Recht, denn die Ottenbacher Kirche stand wirklich auf einem sehr erhabenen Platz und war weithin sichtbar. Doch die Damen waren noch nicht fertig mit ihrer Diskussion übers neue Rathaus.
„Trotzdem sin inna, in dene zwoi obere Stock, so wahnsinnig hohe Räum, oder net?“
„Scho, aber jetzt fühlt si unsr großer Schultes nimme wie in em Puppahaus!“, lachte die Alte und die beiden machten sich auf in Richtung Kirche. Noras Kontoauszüge kamen gerade heraus, sie schnappte sie sich schnell und lief dann den beiden nach, um noch mehr über die Ansichten der Alten übers neue Rathaus zu erfahren. Das würde ihren Vater sicher interessieren, denn die Meinungen über das neue Rathaus gingen im Ort doch sehr auseinander und der Gemeinderat war sicher nicht abgeneigt zu erfahren, was vor allem die älteren Bürger so daherredeten. Möglichst unauffällig folgte Nora den beiden und konnte noch ein paar Sätze aufschnappen:
„Du, jetzt ham mir Ottenbacher innerhalb von drei Jahr a nuie Gmoindshalle, a nuies Rathaus, an nuier Metzger und bald au no an nuia Beck. Und die Raiba sieht au nemme aus wie früher und die Kreissparkass au bald nemme …“
„Und an nuia Buchs-Wirt solls au bald gebba!“
„Ja, des au no und … du … jetzt ischs bald egal, ob ma a Reigschmeckter oder a alt eigsessner Ottabacher isch … es isch doch eh elles nui!!“
Bevor Nora laut losprusten musste, blieb sie zurück und grinste in sich hinein – wie Recht die zwei doch hatten! In den letzten Jahren war wirklich sehr viel umgebaut, neu gebaut und renoviert worden. Aber anscheinend nahmen selbst die älteren Mitbürger das inzwischen einigermaßen gelassen und das würde die Mitglieder des Gemeinderates sicher freuen. Dieses Gespräch und ihre Gedanken über die sehr gelungene neue Ortsmitte hatten Nora kurzfristig von ihnen Sorgen um Carmen abgelenkt,
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