Ohne Beweis (German Edition)
lautet. Kamil! Kamil Rodzinsky!“, stieß sie triumphierend hervor und Nora konnte sich bildhaft vorstellen, wie die aufgebrachte Carmen mit zorniger Mine auf ihren angeblichen Freund starrte.
„Was reden du da für eine Blödsinn, Eva. Du hast dir böse Kopf gestoßen und nun sein du verwirrt. Du meine Frau und wir keine Kinder haben, basta!“, versuchte Kamil sein Gegenüber zu überzeugen, doch Carmen ließ nicht locker.
„Du redest Blödsinn, Kamil!“, kreischte sie. „Meine Kinder heißen Viola und Friedolin und ich habe eine Zwillingsschwester. Carolin heißt sie und sie sieht mir sehr ähnlich. Ich habe schon ein paar Mal von meiner Familie geträumt, aber als ich mir heute zum zweiten Mal den Kopf an diesem blöden Balken angeschlagen hatte, waren die Erinnerungen plötzlich wieder da. Ich glaub dir also kein Wort mehr, Kamil Rodzinksy!“ Seinen Namen spuckte sie förmlich aus und Nora bewunderte ihren Mut, diesem Mann so energisch entgegenzutreten. Was würde er nun tun? Würde er klein bei geben und vor allem – wie würde er sich aus der Affäre ziehen?
50
Der Kuss von Kinga hätte sicher angenehm sein können, wäre Joska nicht in einer glücklichen Beziehung gewesen. So aber war es für ihn nur eine lästige Pflicht, die er auf sich genommen hatte, als er wieder zu ihr ins Auto gestiegen war. Nun aber beendete er diesen ersten Annäherungsversuch des jungen Fräuleins sanft, aber mit Nachdruck.
„Sachte, sachte, liebe Kinga. Wir wollen doch nichts überstürzen, nicht wahr? Willst du mir nicht zeigen, wo ihr immer baden geht? Mir ist so heiß – nicht nur wegen der Sonne, natürlich – du kannst einem auch ganz schön einheizen!“, schmeichelte er ihr und verfehlte damit selbstverständlich nicht die gewünschte Wirkung. Das frühreife Mädchen fühlte sich begehrt und sexy und hätte alles getan, um diesem hübschen jungen Kerl zu gefallen.
„Ja klar – ich zeigen dir schönste Stelle! Komm!“, rief sie übermütig und schubste Joska auf seiner Wagenseite zur Tür hinaus. Wie der Blitz war auch sie ausgestiegen und hakte sich nun mit verliebtem Augenaufschlag bei ihm unter. Man hörte schon das Meer rauschen und trotz seiner misslichen Lage freute sich Joska auf ein erfrischendes Bad an diesem herrlichen Sandstrand. Es war das erste Mal für ihn, dass er an einem Ostseestrand war und er staunte sehr über diesen augenscheinlich kilometerlangen weißen Strand. Es gab also nicht nur im Süden solch tolle Strände.
Wenn der junge Kommissar auch nur im Ansatz geahnt hätte, welches Drama sich unweit von ihm abspielen und welche Rolle seine abtrünnige Freundin Nora darin spielen würde, hätte er sich nicht so viel Zeit beim Baden mit dem jungen Mädchen gelassen.
51
Nora schwirrte immer noch der Kopf von dem Gehörten und sie konnte sich nur so ungefähr einen Reim darauf machen. Anscheinend hatte Carmen durch irgendein Ereignis ihr Gedächtnis verloren und Kamil hatte wohl versucht, die Situation zu seinen Gunsten hinzubiegen. Aber warum sollte er das überhaupt tun? Waren er und Carmen nicht ein glückliches Paar gewesen? Was war in dieser letzten Woche passiert? Was sollte sie nun tun? Sollte sie sich einmischen? Während die arme Nora noch darüber nachgrübelte, hörte sie Kamil plötzlich leise und drohend sagen:
„Du dich also wieder an alles erinnern, ja? Dann du mir jetzt auch endlich die Wahrheit über meine Vater sagen!“
Nora konnte durch ihren kleinen Schlitz erkennen, dass sich Kamil bedrohlich vor Carmen aufgebaut hatte.
„Welche Wahrheit, Kamil? Ich weiß nichts von deinem Vater!“, sagte Carmen mit Bestimmtheit und Nora glaubte ihr. Wahrscheinlich war deren Gedächtnis noch nicht zu hundert Prozent wieder hergestellt, doch Kamil schien anderer Meinung zu sein.
„Du wissen alles!“, schrie er und packte die entsetzte Carmen an beiden Schultern und schüttelte sie heftig. Die immer noch schwache und verletzte Carmen stöhnte auf, als sie zur Seite taumelte und auf ihren verstauchten Fuß trat. Kamil fing sie jedoch auf – nicht aus Rücksicht auf ihre Verletzung, sondern um sie zu packen und aufs Bett zu schmeißen.
Nora hatte sich heftig auf die Lippen gebissen, um nicht laut aufzuschreien. Sie schmeckte Blut, doch das schien sie nur ganz nebenbei zu bemerken, denn ihr Verstand arbeitete bereits fieberhaft an einer Lösung, wie sie Carmen helfen konnte. Kamil schien dort drinnen völlig auszurasten und Nora
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