Ohne Beweis (German Edition)
meinen Vater zu erzählen. Sie musste einfach.
Warum ich allerdings in diesen Baumarkt gefahren und einen Spaten kaufen wollte, wusste ich momentan gar nicht mehr. Aber das würde mir auf dem Weg zurück schon wieder einfallen.
Nun hatte ich auch noch diese andere junge Frau am Hals – Nora! Ich konnte mich selbstverständlich noch sehr gut an sie erinnern, es war ja noch nicht so lange her, dass ich in Ottenbach mit ihr zu tun gehabt hatte. Eigentlich mochte ich die junge Frau recht gerne. Sie war immer freundlich und hilfsbereit zu mir gewesen. Warum hatte sie uns nachspioniert? Sie musste doch davon ausgegangen sein, dass Carmen mir aus Liebe gefolgt und hier mit mir in meiner Heimat ein paar schöne Tage verleben wollte. Wir hatten doch in Carmens Heimat nicht den Eindruck hinterlassen, dass in unserer Beziehung irgendetwas nicht stimmte, oder doch? Hatte Carmens Umfeld also doch Vorurteile gegen uns Polen? Oder nur gegen einen armen Schlucker wie mich? Kein regelmäßiges Einkommen, keine tolle Wohnung, kein Auto, kein Geld?
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Nora hämmerte unterdessen immer noch wie besessen gegen die Türe und konnte nicht fassen, dass Kamil sie einfach hier eingesperrt hatte! Natürlich hatte er ihr auch ihr Handy abgenommen. Sie hatte es einschalten und entsperren müssen. Sich ihm zu wiedersetzen, hatte sie sich nicht getraut, denn er schien irgendwie nicht mehr er selbst zu sein. Seine Augen hatten immer noch diesen fiebrigen Glanz gehabt und sein Blick war seltsam hohl gewesen. Sogar seine Stimme hatte sich ein bisschen verändert und Nora hatte richtig Angst vor ihm bekommen. Was war nur mit dem netten Kamil geschehen?
Nachdem sich Nora davon überzeugt hatte, dass auch die Fensterläden von außen verrammelt und sie wirklich keine Möglichkeit hatte, irgendwie Hilfe zu holen, widmete sie sich wieder der verletzten Carmen. Diese lag leise wimmernd auf der Pritsche und war so gut wie nicht ansprechbar. Sie schlingerte am Rande der Bewusstlosigkeit entlang und Nora wusste nicht, wie sie der armen Frau helfen konnte. Vielleicht sollte sie sie auf die Seite in die stabile Lage drehen, falls sie doch noch ohnmächtig werden würde? Oder besser die Beine hochlegen? Warum hatte sie damals beim Führerschein-Erste-Hilfe-Kurs nicht besser aufgepasst und sich vor allem alles gemerkt? Jetzt hätte sie viel dafür gegeben, zu wissen, was man in dieser Situation tun musste. Doch Nora konnte sich zu keiner der beiden Möglichkeiten durchringen und so begnügte sie sich damit, Carmen gut zuzureden, ihr mit einem feuchten Tuch die Stirn zu kühlen und ihre Hand zu halten. So konnte sie jedenfalls mitbekommen, wenn Carmen bewusstlos würde und dann konnte sie immer noch über die stabile Seitenlage nachdenken.
Was war mit den beiden nur passiert? Warum war es für Kamil so wichtig, etwas über seinen Vater zu erfahren und warum nahm er an, Carmen könnte etwas darüber wissen? Ob Joska mehr Informationen hatte? Ach … Joska. Dieser elende Mistkerl! War er immer noch mit seiner Chefin zusammen oder hatte er inzwischen endlich kapiert, dass er zu ihr, seiner jungen Nora gehörte? Wollte sie ihn überhaupt zurück? Wenn sich Nora diese Frage stellte, kam ihr sofort in den Sinn, wie glücklich sie jetzt wäre, wenn er kommen und sie retten würde. Alles andere wäre dadurch sofort vergeben und vergessen …
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Joska war im Zwiespalt – er wollte Kamil nicht aus den Augen lassen, andererseits wollte er aber auch nach Nora Ausschau halten. Beides zusammen gestaltete sich aber schwierig und so entschloss sich der junge Ermittler instinktiv, an Kamil dran zu bleiben. Wenn Nora auch in diesem Baumarkt war, dann nur gemeinsam mit Kamil – warum auch sollte sie ausgerechnet hier alleine einkaufen? Das wäre einfach ein zu großer Zufall und Joska hoffte inständig, dass Nora zusammen mit Kamil hier hergekommen oder Kamil zumindest wusste, wo Nora gerade war. Nora hatte die Turteltauben bestimmt schon ausfindig gemacht und die drei verbrachten ein paar nette Stunden zusammen. Doch irgendetwas hielt Joska davon ab, sich bei Kamil zu erkennen zu geben. Der junge Ermittler wollte zunächst an Kamil dran bleiben und er war sich sicher, dass dieser ihn zu den beiden Frauen führen würde. Über den Spaten in Kamils Hand wunderte er sich zwar schon, aber es war ihm auch ziemlich egal. Seine einzige Hoffnung war, durch Kamil an Nora heranzukommen und seine größte Sorge war nur, nicht an ihm dranbleiben zu
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