Ohne Chef ist auch keine Loesung
Gesundheit schadet und unsere Mitmenschen belästigt. Diese gegensätzlichen Gedanken erzeugen einen Missklang. Welche Möglichkeiten
haben wir, inneren Frieden und gedankliche Harmonie zu erzeugen? Wir können das Rauchen natürlich aufgeben, was, |49| wie Sie vielleicht aus eigener Erfahrung wissen, nicht so leicht ist. Welche Möglichkeiten haben wir also noch? Wir können
harmonische Gedanken in Bezug auf das Rauchen entwickeln, beispielsweise »Rauchen entspannt« oder »Es gibt Leute, die haben
geraucht und sind über 90 Jahre alt geworden«. Diese Argumente wiegen die Missklänge auf. Wir können weiterrauchen und sind
mit uns und der Welt im Einklang.
Was haben nun Dissonanz und Reaktanz miteinander zu tun? Ganz einfach: Wenn wir auf der Ebene der Tat nicht weiterkommen,
also unser reaktantes Verhalten (zum Beispiel »Chef, gib mir endlich Verantwortung und lass mich mitreden!«) uns nicht weiterhilft,
dann können wir eine Attraktivitätsänderung vornehmen: Als gedankliche Strategie, um Dissonanz zu reduzieren (»Ich möchte
mitentscheiden – ich darf es aber nicht.«) werten wir die verlorene Freiheit in ihrer Attraktivität ab. Wir sagen uns beispielsweise
innerlich: »Eigentlich ist mir das ewige Entscheiden viel zu lästig, es ist besser, mein Chef macht das alles für mich, lieber
halte ich mich fein raus!« Damit harmonieren unsere inneren Gedanken und die äußere Situation wieder. Und schon bemängelt
der Vorgesetzte die mangelnde Motivation. Und je stärker er zur Beteiligung auffordert und damit die Freiheit einschränkt,
desto stärker werden Reaktanz und Rückzug.
Dagegen muss doch ein Kraut gewachsen sein!
Von-oben-herab beschwört nichts Gutes herauf – welches Kraut dagegen gewachsen ist
Das oben beschriebene Team-Coaching ist nur ein Beispiel für verflixte Mechanismen, die wir in Zusammenhang mit dem »Entscheidungs- |50| und Verantwortungs-Thema« in Organisationen finden. Weitere brisante Problemfelder sind Umstrukturierungen im Betrieb: Wird
zum Beispiel ein neues Computersystem eingeführt, werden Arbeitsabläufe verändert oder Verantwortlichkeiten neu zugewiesen,
dann kann es sogar zu Reaktanzreaktionen ganzer Belegschaften kommen. Welche dramatischen motivationalen und auch finanziellen
Konsequenzen sich daraus für die Mitarbeiter und auch das Unternehmen ergeben, wollen wir an dieser Stelle vorsichtshalber
nicht einmal andenken!
Darüber dürfen wir aber das Leid und den Schmerz des Einzelnen nicht vergessen – davon soll ein besonderer Fall aus der Beratungspraxis
zeugen: Ein Mann, der nach einem längeren Klinikaufenthalt gerade dabei war, sich von seinen schweren Depressionen zu erholen,
hatte eine ungewöhnliche Entscheidung getroffen: Er wurde Taxifahrer, davor war er hoch dotierter Kreativdirektor in einer
renommierten Werbeagentur.
Was war sein Problem?
Er beschrieb es so: Bei Entscheidungen durfte er immer nur die Hälfte der Verantwortung tragen, alle redeten ihm rein – die
Geschäftspartner, die Kundschaft, andere. Er musste teilweise wider besseres Wissen Entscheidungen treffen. Mit Erfolgen schmückten
sich immer die anderen. Bei Misserfolgen hingegen wurde ihm immer die volle Verantwortung übertragen. Sie ahnen es sicher
schon: Er wurde krank, weil die halbe Entscheidungsbefugnis nicht im rechten Verhältnis zur vollen Misserfolgsverantwortung
stand. Als Selbsttherapie wechselte er den Job: Das Taxi war für ihn ein überschaubarer Rahmen, in dem er eigene Entscheidungen
treffen (»An welchen Tagen fahre ich?«,»Welche Fahrten nehme ich an?«, »Welche Route wähle ich?«) und dann die Verantwortung
für diese Fahrten übernehmen konnte.
Ein weiterer Vorteil ergab sich für ihn daraus, dass er immer |51| unmittelbar im Anschluss an seine Handlungen das Ergebnis, den konkreten Erfolg seiner Tätigkeit sehen konnte.
Was Chefs tun können
Und damit kommen wir, liebe Chefs, jetzt zu Ihrem »Zauberkraut«: Sie haben nun ein besseres Verständnis für die Bedürfnisse
und Nöte Ihrer Angestellten gewonnen. Ihnen ist bewusst, dass die meisten Ihrer Leute Sie mit ihren Ideen und Vorschlägen
nicht einfach nur ärgern wollen, sondern dass sie das zutiefst menschliche Bedürfnis haben, beteiligt zu sein, Einfluss nehmen
zu können. Wenn Veränderungen in der Firma anstehen, dann tun Sie gut daran, diese sensibel vorzubereiten: Befragen Sie Ihre
Angestellten, nehmen Sie deren Meinungen ernst, binden Sie sie
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