Ohne Chef ist auch keine Loesung
soll das natürlich nicht heißen, dass wir Sie
ver
trösten wollen! Wir plädieren nicht dafür, zu kuschen, immer nachzugeben und sich alles gefallen zu lassen. Im Gegenteil.
Wir wollen hier lediglich ein paar Denkanstöße geben. Eben haben wir Ihren Chefs ins Gewissen geredet. Jetzt wollen wir Ihnen
noch ein paar Tipps mit auf den Weg geben. Hier ist
Ihr
»Zauberkraut«, liebe Mitarbeiter.
Sie haben jetzt erkannt, dass es manchmal gut ist, sich in die Organisation einzufügen und zu akzeptieren, dass nicht immer
alles zu 100 Prozent nach Ihrem persönlichen Willen geschehen kann. Wenn Ihnen bei bestimmten Themen dennoch Zweifel kommen
sollten, wenn Sie in gewissen Situationen Schwierigkeiten haben, sich zu be-»herrschen«: Dann versuchen Sie, sich in die Lage
Ihres Vorgesetzten hineinzuversetzen. Und zu erahnen, unter welchem Druck er vielleicht gerade steht und wer möglicherweise
gerade noch so alles auf ihn einredet. Und was passieren würde, wenn jeder seinen Willen bekäme. Das ist natürlich nicht immer
ganz leicht und erfordert ganz schön viel |55| Selbstdisziplin. Wie gesagt: Sie sollen nicht einfach die Klappe und sich aus allem raushalten – um schließlich frustriert
Dienst nach Vorschrift zu schieben. Wir wollen Sie lediglich für die Situation Ihres Vorgesetzten sensibilisieren. Das ist
nur zu Ihrem Vorteil. Überlegen Sie dann gründlich und wägen Sie ab, wo es sich
wirklich lohnt
, mitzureden und wo Sie gegebenenfalls am ehesten auf eine Teilhabe verzichten könnten. Beobachten Sie Ihr Jobumfeld gründlich.
Wo sind Beteiligungs- und Entscheidungsspielräume? Sprechen Sie Ihre Vorgesetzten höflich an und senden Sie eine Ich-Botschaft,
zum Beispiel so:
|56| »Wenn ich im Meeting mitbekomme, dass es um Thema XY geht, und ich nicht die Möglichkeit habe, meinen Standpunkt zu äußern
(Beobachtung),
dann bin ich frustriert (Gefühl),
denn ich möchte gerne mitdiskutieren, da mich die Maßnahmen ABC an meinem Arbeitsplatz betreffen (Bedürfnis), und
ich bitte Sie, mir die Möglichkeit zu geben, meine Sichtweise zu schildern und mich an der Entscheidung zu beteiligen (Wunsch).«
|55|
|56| Der Vorteil dieser Ich-Botschaft ist, dass Sie sich nicht angreifbar machen: Wenn Sie dem Boss hingegen mit einer Du-Botschaft
signalisieren »Du bist ein hundsgemeiner Freiheitsbegrenzer«, dann nimmt er das als Vorwurf wahr, wird eventuell böse und
reagiert gegebenenfalls mit einem Gegenvorwurf. (Und gegebenenfalls mit weiteren Maßnahmen.) Die Aussage »Ich bin frustriert«
oder »Ich bin enttäuscht, dass …« kann Ihnen niemand nehmen.
Eine letzte Möglichkeit aus dem Dilemma wollen wir Ihnen noch aufzeigen. Wenn Ihnen etwas wirklich wahnsinnig wichtig ist,
Ihr Chef Ihnen aber nicht den Hauch von Mitbeteiligung geben will und Sie – wie der kleine Lukas – kurz davor sind, den Turm
aus Frust zum Einsturz zu bringen – dann machen Sie es am besten wie Tom Sawyer mit seinem Freund Ben. Arbeiten Sie mit einer
sogenannten paradoxen Intervention, wie sie unter anderem Viktor Frankl beschreibt: Signalisieren Sie Ihrem Chef – natürlich
ganz unauffällig und so, dass Sie keinen Ärger bekommen – zum Beispiel: »Sooo bedeutsam ist mir XY jetzt auch wieder nicht«
oder »Bitte belasten Sie mich jetzt nicht noch zusätzlich mit XY«. Ihr Chef wird sich dadurch gewaltig in seiner Freiheit
und seinem Handlungsspielraum eingeschränkt sehen und Ihnen vor lauter Reaktanz plötzlich unbedingt noch die Verantwortung
für XY aufs Auge drücken wollen. Auch damit gewinnen beide Seiten!
|57| Drittes Gebot Du sollst kein Orakel sein
Dienstag, 17. März, Büro Herr von Bödefeld:
Eine E-Mail trifft ein.
Am selben Tag, Büro Frau Tiffany:
von Bödefeld:
Weißt du, welche Zahlen er meint?
Tiffany:
Hm…Umsatz hat sich gut entwickelt, Gewinn weniger. Brauchst du auch die Spartenumsätze?
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von Bödefeld:
Keine Ahnung. Er hat nur gesagt, dass ich mir von dir die Zahlen abholen soll.
Tiffany:
Okay, ich such dir was raus. Muss mal schauen, was wir haben. Ich mail’s dir dann rüber. Reicht morgen Abend?
von Bödefeld:
Denke schon. Danke schon mal!
Mittwoch, 18. März, kurz vor 18:00 Uhr:
Freitag, 20. März, abends, Büro Herr von Bödefeld:
Anruf Chef:
Grüß Sie, Herr von Bödefeld. Denken Sie noch an meine Rede? Wollte eigentlich am Wochenende schon mal in Ihren Entwurf schauen
…
von Bödefeld:
Oh, sorry, Chef, bin noch dran. Wusste nicht,
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