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Ohne Chef ist auch keine Loesung

Titel: Ohne Chef ist auch keine Loesung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Kitz , Manuel Tusch
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sollten sich mehr engagieren. Seine Mitarbeiter empfanden sich von Tag zu Tag als überflüssiger und taten (
aus ihrer Sicht
völlig zu Recht) bald gar nichts mehr.
    Keiner der Beteiligten meinte es böse! Und doch war es für beide Seiten ein regelrechter Albtraum. Der Chef: völlig überlastet
     und ratlos. Seine Mitarbeiter: überflüssig und zutiefst gekränkt.
    Erst als beide Seiten diesen Teufelskreis erkannten und sich einmal gegenseitig in die Lage des jeweils anderen versetzten,
     konnten sie sich langsam annähern und gemeinsam festlegen, wer in Zukunft welche Aufgaben mit welcher Intensität erledigen
     würde.
    Boss, rutsch mir doch den Buckel runter
    Wie kann es zu solch wahrhaft fatalen Verstrickungen – die uns in vielen Unternehmen und in verschiedenen Varianten immer
     und immer wieder begegnet sind – kommen? Auch hier helfen uns die Erkenntnisse aus der Arbeitspsychologie weiter.
    |47| Die Mitarbeiter aus dem obigen Beispiel taten, um es auf den Punkt zu bringen, genau das Gegenteil dessen, was ihr Chef von
     ihnen erwartete: Sie verweigerten die Beteiligung an Entscheidungen und die Verantwortungsübernahme. Dieses Verhalten bezeichnet
     man als reaktant. Reaktanz ist eine komplexe Abwehrreaktion, ein Widerstand gegen äußere oder innere Einschränkungen. Sie
     wird unter anderem durch psychischen Druck, zum Beispiel Drohung, ausgelöst oder dadurch, dass Freiheitsspielräume eingeschränkt
     werden, zum Beispiel durch Verbote oder Zensur. Das reaktante Verhalten besteht dann darin, dass wir die unerwünschten oder
     verbotenen Handlungen weiterhin oder sogar erst recht ausführen – auf diese Weise möchten wir nämlich unsere Freiheiten zurückerobern.
     Die Reaktanz ähnelt somit dem Trotz, dem »Reiz des Verbotenen«. Im Extremfall haben wir übrigens von der Handlungsmöglichkeit
     freiwillig nie Gebrauch gemacht,
bevor
die Beschränkung eingetreten ist – üben die Handlung aber seitdem aus. Verrückt!
    Die Reaktanztheorie wurde bereits in den 1960er Jahren unter anderem von Jack Brehm geprägt. Ein witziges Beispiel finden
     wir in dem berühmten Roman von Mark Twain: Tom Sawyer wird eines wunderschönen Sommertages von seiner Tante Polly dazu verdonnert,
     den Gartenzaun zu tünchen. Als sein Freund Ben vorbeischlendert, bleibt der Spott natürlich nicht aus. Tom jedoch vertieft
     sich enthusiastisch in seine Arbeit – wer wolle denn schon schwimmen gehen, wenn er die großartige Chance habe, einen Zaun
     zu streichen? Ben wird neugierig: Ob er vielleicht nicht auch mal ein wenig pinseln dürfe? Tom ist skeptisch: Ob Ben das überhaupt
     gut genug könne? Tante Polly sei sehr kritisch … Schließlich bietet Ben Tom sogar einen Apfel als Gegenleistung an, und Tom
     hat seinem Freund eine Option der Freizeitgestaltung schmackhaft gemacht, auf die dieser im Traum |48| nicht verfallen wäre – wäre sie nicht so schwer erreichbar und damit höchst exklusiv gewesen.
    Auch in der Kindererziehung haben wir häufig mit Reaktanzverhalten zu kämpfen: Sobald wir versuchen, Lena und dem kleinen
     Lukas aus der Eingangsgeschichte weiszumachen, dass Gummibärchen nicht gut für ihren Magen sind, kommt es zu einer »Jetzt-will-ich-erst-recht-Gummibärchen-haben-Reaktion«…
    Kommen wir vom Kinderzimmer zurück in den Kosmetikkonzern: Der Chef hatte ja aus Sicht seiner Leute ihre Beteiligungs- und
     Entscheidungsmöglichkeiten eingeschränkt. Das Team versuchte gemäß Reaktanztheorie in einem ersten Schritt, Einflussnahmemöglichkeiten
     einzufordern und zurückzuerlangen. Wie ist nun der zweite Schritt, der Rückzug der Mitarbeiter, zu erklären? Ihre Tendenz,
     sich der Vorgesetztenerwartung »Übernehmt endlich Verantwortung!« zu widersetzen?
    Eine Erklärung liefert die Theorie der kognitiven Dissonanz nach Leon Festinger: In ihr geht es um »gedanklichen Missklang«.
     Die Dissonanztheorie besagt, dass miteinander unvereinbare Ko­gnitionen – also Gedanken, Meinungen und Wünsche – einen inneren
     Konflikt erzeugen. Typische Dissonanzen – also Missklänge – treten auf, wenn neue Gedanken der bisherigen Meinung widersprechen
     oder neue Informationen eine bereits getroffene Entscheidung als falsch entlarven. Weil wir Menschen uns innere, gedankliche
     Harmonie wünschen, missachten wir unangenehme Neuigkeiten oder entwickeln neue, angenehme Gedanken.
    Ein Beispiel soll dies verdeutlichen: Wenn wir rauchen, dann sind wir uns dessen bewusst. Wir wissen auch, dass Rauchen der
    

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