Ohne Chef ist auch keine Loesung
werden:
|163| Andere Worte für Loyalität sind Fairness, Rechtschaffenheit, Redlichkeit und Treue. Leider wird Loyalität im Unternehmen jedoch
häufig verwechselt mit den negativen Begriffen Abhängigkeit und Obrigkeitsdenken. Dieser negative Beigeschmack verhindert
häufig, dass sich diese grundsätzlich konstruktiven Werte am Arbeitsplatz durchsetzen. Denn tatsächlich geht es »lediglich«
um unsere Zuverlässigkeit und Anständigkeit im Umgang miteinander – mit Vorgesetzten, Kolleginnen, Mitarbeitern und externen
Partnern. Und das ist ja etwas, das wir uns alle gleichermaßen wünschen.
Loyalität verbietet uns, individuelle Ziele zu verfolgen, die den Zielen des Unternehmens widersprechen. Wir alle – Vorgesetzte
und Mitarbeiter – sind in einen gemeinsamen ethischen Kontext eingebunden. Durch diese Verankerung sind Auswüchse wie blinder
Gehorsam ausgeschlossen. Insbesondere rechtfertigt dies das Recht und sogar die Pflicht des Mitarbeiters zur Untreue, also
zum Ungehorsam, sofern die Ausführung von Anweisungen übergeordnete Werte verletzen würde. Der Mitarbeiter hat das Recht,
ja sogar die Pflicht, Anweisungen nicht auszuführen, sofern diese übergeordnete Werte verletzen.
Loyalität bedeutet also, dass wir die Werte des anderen teilen und vertreten. Sie ist immer freiwillig und zeigt sich sowohl
im Verhalten gegenüber demjenigen, dem wir loyal verbunden sind, als auch Dritten gegenüber.
Um es auf den Punkt zu bringen: Wie in jeder guten Ehe gehören immer zwei dazu – ohne Fürsorge keine Treue und umgekehrt!
Klingt alles so weit ganz brauchbar. Doch was machen wir, wenn wir selbst unserem Chef zwar treu sind – aber plötzlich Dritte
ins Spiel kommen? Und die Dinge auf einmal ganz anders laufen?
|164| Wenn Chefs ihre Mitarbeiter bloßstellen
Frieda Fischgrat, seit über 30 Jahren Fachverkäuferin für Damenoberbekleidung aus Überzeugung und ihrem Arbeitgeber treu ergeben,
wappnet sich mit Motivation und Freundlichkeit für einen neuen Verkaufsmontag.
Auf hohen Hacken stelzt eine augenscheinlich erregte Person auf sie zu. Grußlos schleudert sie der verdutzten Frau Fischgrat
ein Stück Stoff ins Gesicht. Der Verkäuferin klappt vor Erstaunen die Kinnlade herunter. Sie erkennt in der erregten Person
eine Kundin des vergangenen Freitags (nennen wir sie der Einfachheit halber Frau K.). Bevor sie sich jedoch konkreter erinnern
kann, keift Frau K. auch schon los: Wie sie es wagen könne, ihr diesen minderwertigen Fetzen anzudrehen? Eine Unverschämtheit!
Extra für die gestrige Kommunionsfeier ihrer Nichte habe sie diese Bluse gekauft. Doch schon beim Auspacken habe sie feststellen
müssen, dass mit dem angeblich guten Stück etwas nicht stimme: Ein ganzes Laufmaschengeschwader habe sich da gebildet. Ganz
von allein. Das schöne Fest sei völlig im Eimer gewesen ohne diese Bluse. Sie wolle sofort ihr Geld zurück und, inzwischen
hat sie ihren Tonfall um gefühlte drei Oktaven gesteigert, selbstverständlich auch noch eine Entschädigung.
Frau Fischgrat erinnert sich dunkel: Stimmt, es sollte etwas Besonderes für diesen Anlass sein, luftig-leicht und edel-elegant
zugleich. Da hatte man dann am Freitag einvernehmlich entschieden, dass wohl nur eben jenes exklusive Leinen-Seiden-Gemisch
in Frage komme. Und dieses hochwertige Produkt, »Made in Italy«, das ungefähr einem Drittel des Nettoeinkommens einer Fachverkäuferin
für Damenoberbekleidung entspricht – dieses Produkt sollte jetzt plötzlich ein minderwertiger Fetzen sein?
|165| Frau Fischgrat entschuldigt sich höflich-ergeben und bittet um einen Moment Geduld, sie wolle selbstverständlich sofort der
Sache nachgehen.
»Nichts da«, wütet Frau K., »sofort das Geld raus, oder ich lasse den Geschäftsführer kommen!«
Die Bluse müffelt unverhohlen nach einer ekligen Melange aus klebrigen Zigarrenschwaden und Moschus, ein winziger Fleck am
Kragen deutet auf Überreste von Krabben in Cocktailsoße hin. Bevor jedoch unsere gute Frau Fischgrat ihre näheren Betrachtungen
abschließen und mit der Überprüfung ihrer These, dass die Bluse sehr wohl an der Familienfeierlichkeit teilgenommen habe und
erst dort zu Schaden gekommen sei, fortfahren kann, kommt Frau Geier, die Abteilungsleiterin, dazu. »So geht es nicht«, belehrt
sie Frau Fischgrat vor Frau K., »bitte kommen Sie gleich mit mir zum Geschäftsführer. Wir werden wohl besprechen müssen, wie
man hier im Hause mit
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