Ohne Chef ist auch keine Loesung
wir das sehr gut verstehen. Dennoch dürfen wir Ihnen höflich ans Herz legen, ein paar Seiten zurückzublättern
und erneut das Verhältnis von Fürsorge und Treue zu studieren. Denn was hier so en passant nach Industrieromantik klingt,
kann in der Unternehmensrealität ganz rasch ganz böse enden: Weiter oben hatten wir ja bereits darauf hingewiesen, dass niemand
individuelle Ziele verfolgen darf, die den Zielen der Firma widersprechen. Und die Funktionstüchtigkeit des Servers ist definitiv
ein Firmenziel.
Dann doch besser Arsen?
»Ich bringe ihn um!« ist auf den ersten Blick ein befreiender Gedanke. Klingt gut und tut gut. Schon in unserem
Frustjobkillerbuch
haben wir darauf hingewiesen, wie wichtig es ist, dass wir uns unserer wahren Gefühle bewusst werden und diese akzeptieren
lernen.
Nur – was machen wir mit Gefühlen, die als negativ gelten, wie zum Beispiel Wut oder Hass? Diese Gefühle spielen hier augenscheinlich
eine große Rolle – Sie wollen Ihren Chef ja kaum aus Liebe zur Leiche machen. Auch bei diesen Gefühlen ist es zunächst wichtig,
sie als wertvolle Bestandteile der Persönlichkeit anzunehmen, auch wenn sich das erst einmal komisch anhört. Verdrängen nützt
nämlich nichts, im Gegenteil, denn das Unterbewusstsein schlägt eines Tages zurück. Und das umso heftiger: Unterdrückte Gefühle
manifestieren sich langfristig auch körperlich |169| und rufen dann beispielsweise psychosomatische Erkrankungen hervor. Für die Blödheit des Bosses büßen – nein, danke! Was also
tun? Sollen Sie vielleicht Ihren Gefühlen freien Lauf lassen und ihn einfach an die Wand klatschen? Ganz so einfach ist es
dann doch nicht. Erstens heißt »akzeptieren« noch lange nicht »ausleben«, und zweitens führen Tätlichkeiten beziehungsweise
körperliche Gewalt auf direktem Wege zu einer fristlosen Entlassung.
Dürfen Sie sie wenigstens äußern? Dann wäre zumindest der Druck schon einmal raus. »Ich bringe ihn um!« ist in der Tat ein
»harmloser« Satz, solange es nur darum geht, Dampf abzulassen. Die Grenze zum ernsthaften Fehlverhalten ist allerdings schneller
erreicht, als manchem lieb ist. Wenn Sie in einem hitzigen Streit den Boss nicht nur beleidigen, sondern ihm Gewalt androhen,
dann behandeln Sie ihn so, wie Sie selbst nicht behandelt werden wollen. Und leiten Ihre Kündigung quasi selbst ein. Sie schießen
sich mit der Fürsorgepflicht Ihres Arbeitgebers – die ja ursprünglich Ihrem eigenen Schutz dienen sollte – ein Eigentor: Der
Arbeitgeber muss nämlich für die Einhaltung des Betriebsfriedens sorgen, indem er die Kolleginnen und Kollegen vor einer Atmosphäre
voller Spannung und latenter Gewalt bewahrt.
Selbst mit scheinbar harmlosen Sprüchen können Sie andere tief verletzen und sich selbst schaden – vor allem, wenn sie sexistischer
Natur sind. Ein Mitarbeiter schleuderte seiner Vorgesetzten im Streit entgegen: »So Frauen wie dich hatte ich schon Hunderte!«
Derartige Beleidigungen oder auch rufschädigende Äußerungen von Mitarbeitern über ihren Arbeitgeber in der Öffentlichkeit
sind mehr als unangemessen und können knallharte Konsequenzen nach sich ziehen. Wir haben zwar ein Grundrecht auf Meinungsfreiheit,
dieses findet seine Grenze aber im Schutz |170| der Ehre – die wiederum durch bestimmte (rufschädigende) Äußerungen verletzt werden kann.
All diese Aussagen und Aktionen können also kein sinnvoller Ausweg aus der Krise sein. Das wäre ungefähr so verhältnismäßig,
als hätte das Löwenbaby mit den Kulleraugen aus der Dschungelgeschichte die Großwildjäger beauftragt, der Mama den Garaus
zu machen – nur weil sie ihm gestern die
Sesamstraße
verboten hat.
Wir können Ihnen, liebe Mitarbeiter, nur raten, im allergrößten Notfall in ein Kissen – stellvertretend für den Chef – zu
boxen. Es gibt einfach Bereiche und Vorkommnisse, wo Sie ihn nicht zur Rechenschaft ziehen können, wo Sie hilf- und machtlos
sind – damit müssen Sie sich abfinden! So hart es auch klingt. Und wenn es knüppelhart kommt, dann hilft manchmal nur noch
– wie in jeder guten Ehe – eine saubere »Scheidung«. Denn: lieber geschieden als Dreck am Stecken.
Raus aus der Loyalitätsfalle
Wo aber hat die Loyalität nun ihre Grenzen? Stellen wir uns folgende Situation vor: Sie finden heraus, dass in der Firmentiefgarage
heimlich Atommüll eingelagert wird. Der Chef sagt: »Was geht Sie das an – kümmern Sie sich lieber um Ihren
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