Ohne Chef ist auch keine Loesung
eigenen Dreck!«
Frage:
Wie reagieren Sie in dieser Situation?
Ich schließe die Augen und befolge seine Anweisung – er wird schon wissen, was er da tut.
|171| Ich verpfeife den Chef an höherer Stelle und riskiere damit, abgewatscht zu werden.
Ich gebe anonym einen Tipp, dass im Betrieb die eine oder andere Kleinigkeit schiefläuft.
So oder so: Sie machen sich unbeliebt. Und nicht nur das: Es ist egal, ob Sie mit 1., 2. oder 3. antworten – Sie tragen immer
eine Restunzufriedenheit mit sich: Bei
nehmen Sie nämlich die Gefährdung Ihrer Mitmenschen in Kauf, bei
gefährden Sie sich selbst, und bei
wüssten Sie gar nicht so genau, an wen Sie sich wenden sollten mit Ihrer brisanten Botschaft.
»Whistleblowing« – übersetzt so viel wie »ein Signal geben«– nennt man das betriebliche Verpfeifen im Fachjargon. Sie geraten
in Konflikt, weil Ihr Vorgesetzter von Ihnen Loyalität einfordert – obwohl Sie bestimmte Werte oder Ziele nicht teilen. Solche
Konflikte sind besonders häufig in sogenannten Tendenzbetrieben wie Kirche, Gewerkschaft oder Presse anzutreffen. Tendenzbetrieb
bedeutet, dass neben wirtschaftlichen Zielen zum Beispiel auch politische, erzieherische, wissenschaftliche oder künstlerische
verfolgt werden. Aber auch Bereiche wie Umweltschutz, Betriebssicherheit, Bilanz oder Personal beinhalten ein hohes Konfliktpotenzial.
Das Gemeine: Für Sie als Petze stehen auf Whistleblowing oft Verachtung und Mobbing. Schlimmer noch: Reden Sie, laufen Sie
Gefahr, Ihren Job zu verlieren. Dilemma: Schweigen Sie, bekommen Sie gegebenenfalls große Probleme, weil Sie möglicherweise
an einer Straftat mitwirken.
|172| Die Situation ist – wie in unserem Atommüllbeispiel – höchst undankbar, denn Whistleblower handeln ja eigentlich mehr als
loyal, indem sie sich mit ihrem Unternehmen identifizieren und um dessen Zukunft besorgt sind. Kurzzeitig entsteht der Firma
zwar eventuell ein Schaden – aber langfristig soll die Firma durch das Verpfeifen ja vor der Gefahr bewahrt werden, zur Rechenschaft
gezogen zu werden!
Egal, wie Sie reagieren – Sie sitzen in der Falle. Hier hilft nur eins – beide Seiten müssen jeweils für sich Grundsatzentscheidungen
treffen.
Was Chefs tun können
Verehrte Chefs, so schwer ist das doch nicht zu verstehen: Fusionen, verschlankte Abteilungen und befristete Arbeitsverträge
führen zu massiven Verunsicherungen Ihrer Beschäftigten. Wer mitbekommt, dass langjährige Kollegen plötzlich wegrationalisiert
werden, dem fällt es verständlicherweise schwer, voll hinter der Firma zu stehen. Wenn die Löwenmama plötzlich ohne ihr Kleines
nach Hause kommt, dann fragen sich die Geschwisterchen zu Recht, was da wohl passiert ist und welche Konsequenzen das für
sie hat. Wenn unter diesen Umständen die Loyalität in Ihrem Unternehmen sinkt, so ist das wirklich kein Wunder!
Was Mitarbeiter tun können
Verehrte Arbeitnehmer, wenn Ihr Unternehmen Werte vertritt oder Entscheidungen trifft, mit denen Sie sich absolut nicht identifizieren
können, dann müssen Sie sich fragen, ob Sie in diesem |173| Unternehmen auf Dauer richtig aufgehoben sind. Wer in einer Metzgerei arbeitet, hat noch lange nicht das Recht, die Kundschaft
zu vergraulen – nur weil er selbst Vegetarier ist. Wer persönlich unzufrieden ist, darf das nicht durch Sabotage ausgleichen.
Wenn am Arbeitsplatz Dinge »verschwinden«, Abrechnungen frisiert werden und Geld von Firmenkonten unterschlagen wird, dann
spricht die Versicherungsbranche von einem Vertrauensschaden. Kaum zu beziffern ist der Schaden, der Ihrer Firma durch Leistungsverweigerung
und üble Nachrede entsteht. Das entspricht mindestens den Gehältern Ihrer wegrationalisierten Schicksalsgenossen.
Eines ist uns ganz wichtig zu betonen: Wir plädieren nicht für Kadavergehorsam und Nibelungentreue! Echte Loyalität ist weder
Kriechen noch Katzbuckeln – es geht nicht darum, jemandem Honig ums Maul zu schmieren und zu allem »Ja und Amen« zu sagen.
Mit Verlogenheit und feigem Verhalten tun wir niemandem einen Gefallen. Echte Loyalität ist eine gesunde Mischung aus Respekt
vor unseren Mitmenschen plus eine eigene Meinung zu haben und diese auch einzubringen.
Wir laden Sie und Ihren Chef lediglich ein, über sich selbst nachzudenken und sich selbst kritisch zu hinterfragen. Was Sie
dann aus Ihren Erkenntnissen machen, das bleibt ganz Ihnen überlassen. Wir wollen Ihnen Ihre Rechte vergegenwärtigen. Und
im
Weitere Kostenlose Bücher