Ohne dich kein Sommer - Roman
würde sich niemals Gedanken darüber machen, ob seine Frisur unter der Mütze gelitten haben könnte, ob er vielleicht komisch aussehen könnte. Das war eine seiner sympathischsten Eigenschaften, und ich bewunderte ihn sehr dafür. Ich selbst lebte in der ständigen Angst, mich lächerlich zu machen.
Ich wollte ihn umarmen, doch aus irgendeinem Grund – vielleicht weil er nicht auf mich zukam, vielleicht weil ich plötzlich verlegen war – ließ ich es sein und sagte nur: »Du warst echt schnell.«
»Ich bin ja auch wie ein Irrer gerast«, sagte er. Dann drehte er sich zu Taylor um. »Hey, Taylor.«
Sie reckte sich auf die Zehenspitzen und umarmte ihn. Jetzt ärgerte ich mich: Warum hatte ich das nicht auch gemacht?
Taylor trat einen Schritt zurück, betrachtete Jeremiah sichtlich beeindruckt und sagte: »Gut siehst du aus, Jeremy.« Sie lächelte ihn an, und es war unübersehbar, dass sie nun ebenfalls ein Kompliment erwartete. Als er nichts sagte, half sie ihm auf die Sprünge: »Das war dein Stichwort, Mensch. Jetzt musst du mir sagen, wie gut ich aussehe!«
Jeremiah lachte. »Immer noch dieselbe, Taylor! Du weißt doch, dass du gut aussiehst. Das muss ich dir nicht erst sagen.«
Sie grinsten einander an.
»Wir sollten mal los«, erinnerte ich ihn.
Jeremiah warf sich meine Reisetasche über die Schulter und ging zum Wagen, Taylor und ich folgten. Während er im Kofferraum Platz für mein Gepäck schaffte, nahm Taylor mich beiseite. »Ruf mich an, wenn ihr da seid, wo auch immer, Cinderbelly.« Das war ihr Name für mich gewesen, als wir klein waren und für Cinderella schwärmten. Wenn die Mäuse sangen, hatte Taylor immer mitgeträllert: Cinderbelly, Cinderbelly .
Mit einem Mal spürte ich eine Welle von Zuneigung für sie, in der auch Nostalgie mitschwang. So eine gemeinsame Vergangenheit war schon eine Menge wert. Mehr als ich mir klargemacht hatte. Ich würde sie vermissen, falls wir nächstes Jahr auf unterschiedlichen Colleges sein würden. »Danke, dass ich mein Auto hier stehen lassen darf, Tay.«
Sie nickte. Dann formte sie mit den Lippen das Wort SCHLUSS .
»Tschüss, Taylor«, sagte Jeremiah und stieg ein.
Ich stieg ebenfalls ein. Jeremiahs Auto war ein einziges Chaos, wie immer. Leere Wasserflaschen lagen am Boden und auf den Rücksitzen. »Tschü-üss!«, rief ich zum Fenster hinaus, während der Wagen sich in Bewegung setzte.
Taylor stand winkend in der Einfahrt und sah uns nach. Auf einmal rief sie mir noch hinterher: »Und denk an dein Versprechen, Belly!«
Jeremiah schaute in den Rückspiegel. »Was hast du ihr denn versprochen?«, fragte er.
»Dass ich rechtzeitig zurück bin für die Party bei ihrem Freund. Die feiern den vierten Juli auf einem Boot.«
Jeremiah nickte »Keine Sorge, du bist pünktlich wieder da. Hoffentlich schon heute Abend.«
»Oh«, sagte ich. »Okay.« Anscheinend würde ich meine Reisetasche also gar nicht brauchen.
»Taylor sieht immer noch so aus wie damals«, meinte Jeremiah.
»Ja, kann schon sein.«
Danach sagten wir nichts mehr, sondern saßen einfach still da.
8
Jeremiah
Ich weiß noch ganz genau, in welchem Moment sich alles änderte. Es war letzten Sommer. Con und ich saßen auf der Veranda, und ich versuchte, ihm klarzumachen, was für ein Idiot der neue Assistent unseres Footballtrainers war.
»Da musst du eben durch«, meinte er.
Er hatte gut reden, er hatte aufgehört mit Football. »Du kapierst das nicht, der Typ ist doch nicht ganz dicht«, fing ich gerade wieder an, doch er hörte schon gar nicht mehr hin. Im selben Moment bog nämlich das Auto in unsere Einfahrt ein. Erst stieg Steven aus, dann Laurel. Sie erkundigte sich nach meiner Mom und umarmte uns fest, erst mich, dann Conrad. Gerade wollte ich fragen: »Wo ist denn Belly Button?«, da war sie auch schon da.
Conrad sah sie zuerst. Er blickte über Laurels Schulter. Sah sie an. Sie kam auf uns zu, ihre Haare schwangen im Takt, ihre Beine kamen mir endlos lang vor. Sie trug abgeschnittene Jeans und schmutzige Turnschuhe. Ein BH -Träger schaute unter ihrem Tank Top hervor. Nie zuvor war mir an ihr ein BH -Träger aufgefallen, ich schwöre. Sie guckte irgendwie merkwürdig, so einen Ausdruck kannte ich gar nicht an ihr. Schüchtern und nervös, aber gleichzeitig auch stolz.
Ich sah zu, wie Conrad sie umarmte, und wartete, bis ich an der Reihe war. Ich wollte sie fragen, wieso sie so komisch geguckt hatte, woran sie gedacht hatte. Aber ich hab nicht gefragt. Stattdessen bin
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