Ohne dich kein Sommer - Roman
mir leid. Mein Mund bleibt ab jetzt fest verschlossen.«
Sie griff nach ihrem Schminktäschchen und setzte sich bei mir auf die Bettkante. Ich hockte mich zu ihren Füßen hin, und sie nahm einen Kamm und zog mir einen Scheitel. Mit festen, flinken Fingern flocht sie mir die Haare, und als sie fertig war, steckte sie die Zöpfe oben auf dem Kopf fest. Solange sie arbeitete, schwiegen wir. Als sie fertig war, sagte Taylor: »Ich finde es toll, wenn du die Haare so trägst. Fast wie eine Indianerin siehst du aus, eine Cherokee-Prinzessin oder so.«
Ich musste lachen, verstummte aber sofort wieder. Unsere Blicke trafen sich im Spiegel, und Taylor sagte: »Du darfst lachen, wirklich. Du darfst auch mal wieder Spaß haben.«
»Ich weiß«, antwortete ich, aber das stimmte nicht.
Bevor wir losgingen, schaute ich noch kurz bei meiner Mutter rein. Sie saß im Arbeitszimmer zwischen ihren Ordnern und Stapeln von Papier. Susannah hatte meine Mutter zu ihrer Testamentsvollstreckerin ernannt, und das bedeutete offenbar eine Menge Papierkram. Meine Mutter telefonierte viel mit Susannahs Anwältin. Alles sollte perfekt laufen, genau nach Becks letzten Wünschen.
Susannah hatte Steven und mir einen Geldbetrag fürs College hinterlassen. Mir hatte sie außerdem Schmuck vererbt, ein mit Saphiren besetztes Tennisarmband, von dem ich mir nicht vorstellen konnte, dass ich es je tragen würde. Außerdem eine Kette mit Diamanten für den Tag meiner Hochzeit – das hatte sie explizit dazugeschrieben. Und Opalohrringe mit passendem Fingerring. Die mochte ich am liebsten.
»Mom?«
Sie sah auf. »Ja?«
»Hast du gegessen?« Ich kannte die Antwort auch so. Seit ich von Marcy zurück war, hatte sie ihr Arbeitszimmer noch nicht ein Mal verlassen.
»Ich hab keinen Hunger«, sagte sie. »Falls nichts im Kühlschrank ist, kannst du dir ja eine Pizza bestellen.«
»Ich könnte dir ein Sandwich machen«, bot ich ihr an. Anfang der Woche hatte ich eingekauft. Steven und ich wechselten uns jetzt immer ab. Ich bezweifelte, dass Mom überhaupt wusste, welches Wochenende wir hatten: Vierter Juli, Nationalfeiertag.
»Nein, schon gut. Ich komm später runter und mach mir was.«
»Okay.« Ich zögerte. »Taylor und ich gehen auf eine Party. Es wird nicht so spät.«
Ein Teil von mir hoffte, sie würde mich bitten, zu Hause zu bleiben. Ein Teil von mir wollte ihr anbieten, zu Hause zu bleiben und ihr Gesellschaft zu leisten; wir könnten einen Filmklassiker ansehen, Popcorn machen.
Aber ihre Gedanken waren schon wieder bei der Arbeit, sie kaute an ihrem Kugelschreiber. »Klingt gut«, sagte sie. »Pass auf dich auf.«
Ich zog die Tür hinter mir zu.
Taylor saß in der Küche und schrieb eine SMS , während sie auf mich wartete. »Komm, beeil dich, lass uns losgehen.«
»Moment noch, ich muss nur noch schnell was erledigen.« Ich ging zum Kühlschrank und nahm Zutaten für ein Sandwich heraus. Putenbrust, Senf, Käse, Weißbrot.
»Belly, es gibt genug zu essen auf der Party. Wieso musst du dir jetzt noch was machen!«
»Das ist für meine Mom«, sagte ich.
Ich legte das fertige Sandwich auf einen Teller, deckte ihn mit Frischhaltefolie ab und stellte ihn auf den Tresen, wo sie ihn gleich sehen würde.
Justins Party war tatsächlich genau so, wie Taylor es mir beschrieben hatte. Unsere halbe Stufe war da, von Justins Eltern hingegen war weit und breit nichts zu sehen. Bunte Party-Lampen säumten den Hof, und die Musik war voll aufgedreht, die Lautsprecher vibrierten praktisch. Ein paar Mädchen tanzten schon.
Es gab ein Fass Bier und eine große rote Kühlbox. Justin war der Mann am Grill. Er briet Steaks und Bratwürste und trug eine Schürze mit der Aufschrift »Küsst den Koch«.
Taylor schnaufte verächtlich. »Als ob irgendeine mit dem rumknutschen würde.« Zu Anfang des Schuljahres hatte sie sich um Justin bemüht, bevor sie sich für Davis, ihren jetzigen Freund, entschieden hatte. Justin und sie waren ein paarmal zusammen weggegangen, bevor er wegen einer aus dem Abschlussjahrgang mit ihr Schluss gemacht hatte.
Ich hatte nicht an Mückenspray gedacht, und die Biester fraßen mich regelrecht auf. Dauernd musste ich mich bücken, um mich an den Beinen zu kratzen, und ich war froh darüber. Froh, dass ich auf die Art beschäftigt war. Cory hing nämlich am Pool rum, und ich hatte Angst, aus Versehen seinem Blick zu begegnen.
Die meisten tranken Bier aus roten Plastikbechern. Taylor holte Wine Coolers für uns beide. Diese klebrig
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