Ohne ein Wort
bloß auf, dass Sie nichts verschütten«, sagte Vince, als ich zurückkam. Sein Pick-up war picobello gepflegt. Es sah keineswegs so aus, als hätte er schon mal jemanden darin umgebracht – ein gutes Zeichen, wie ich fand.
Westlich von Albany führte uns der New York Thruway am südlichen Rand der Adirondacks entlang, und wären mir nicht tausend andere Dinge durch den Kopf gegangen, hätte ich der atemberaubenden Szenerie sicher mehr Beachtung geschenkt. Hinter Utica wurde es flacher and ländlicher. Vor ein paar Jahren war ich anlässlich eines Weiterbildungsseminars nach Toronto gefahren; auch damals hatte dieser Teil der Strecke schier nicht enden wollen.
In der Nähe von Syracuse machten wir noch einmalHalt, aber nur für ein paar Minuten, da wir keine Zeit verlieren wollten.
Wir redeten nicht viel, sondern hörten die meiste Zeit Radio – wobei Vince allerdings den Daumen drauf hatte, was die Sender anging. Er stand auf Country. Zwischendurch besah ich mir die CDs in der Ablage zwischen den Vordersitzen. »Wie?«, sagte ich. »Sie haben nichts von den Carpenters?«
Vor Buffalo nahm der Verkehr rapide zu. Außerdem wurde es allmählich dunkel. Ich sah in die Karte und lotste Vince um die Stadt herum. Im Übrigen fuhr Vince die ganze Strecke allein. Er war ein erheblich aggressiverer Fahrer als ich, doch da wir mit seinem Fahrstil deutlich schneller ans Ziel gelangen würden, sah ich keinen Grund, mich darüber zu mokieren.
Wir ließen Buffalo hinter uns, fuhren in Richtung der Niagarafälle, blieben aber auf dem Highway, ohne uns die Zeit für eine Besichtigung zu nehmen; als wir an Lewiston vorbeikamen, stach mir ein nicht weit vom Highway entferntes Krankenhaus ins Auge, dessen großes blaues »H« – für »Hospital« – unter dem Nachthimmel leuchtete. Ein paar Meilen nördlich von Lewiston nahmen wir die Ausfahrt nach Youngstown.
Ich hatte vergessen, die genaue Adresse von Clayton Sloan mitzunehmen; schließlich war mir zu Hause vor dem Computer nicht bewusst gewesen, dass wir kurze Zeit später spontan nach Youngstown aufbrechen würden. Aber da es sich nur um eine kleine Gemeinde handelte, gingen wir davon aus, dass es uns nicht viel Zeit kosten würde, die Adresse ausfindig zu machen.Vom Robert-Moses-Parkway gelangten wir auf die Lockwood Street und von dort auf die Hauptstraße.
Ich erspähte einen Schnellimbiss. »Die haben bestimmt ein Telefonbuch«, sagte ich.
»Ich könnte was zu essen vertragen«, sagte Vince.
Ich hatte ebenfalls Hunger, doch meine Nervosität überwog. »Aber nur einen schnellen Happen«, sagte ich. Nachdem Vince um die Ecke geparkt hatte, marschierten wir in den Laden.
Während er sich an den Tresen hockte und ein Bier und Chicken Wings bestellte, ging ich zum Telefon, bei dem allerdings kein Telefonbuch zu finden war. Als ich den Barkeeper fragte, griff er unter die Theke und beförderte das Telefonbuch auf den Tresen.
Clayton Sloan wohnte am Niagara View Drive 25 . Jetzt erinnerte ich mich wieder. Ich fragte den Barkeeper nach dem Weg.
»Geht von der Hauptstraße ab. Etwa ’ne halbe Meile in südlicher Richtung.«
»Links oder rechts?«
»Links. Rechts fahren Sie nur, wenn Sie im Fluss landen wollen, Mister.«
Youngstown lag am Niagara, gegenüber dem kanadischen Ort Niagara-on-the-Lake, in dem jedes Jahr das berühmte Shaw-Festival stattfindet, benannt nach dem Dramatiker George Bernard Shaw.
Nun ja, für Kulturveranstaltungen war vielleicht ein andermal Zeit.
Ich verdrückte ein paar Chicken Wings und trank ein halbes Bier, aber irgendwie war mir flau im Magen. »Ich kann nicht länger hier herumsitzen«, sagte ich zu Vince.»Los jetzt.« Er legte ein paar Scheine auf den Tresen, und schon waren wir wieder unterwegs.
Die Scheinwerfer des Pick-ups erfassten die Straßenschilder, und im Nu waren wir am Niagara View Drive.
Vince bog links ab und fuhr langsam durch die Straße, während ich Ausschau nach den Hausnummern hielt. »Einundzwanzig, dreiundzwanzig«, sagte ich. »Da ist es. Fünfundzwanzig.«
Statt direkt vorzufahren, fuhr Vince noch etwa hundert Meter weiter, ehe er parkte und die Scheinwerfer ausschaltete.
In der Einfahrt von Nummer 25 stand ein Auto. Ein silberner Honda Accord, etwa fünf Jahre alt. Ein brauner Wagen war nirgends zu sehen.
Offenbar waren wir vor Jeremy Sloan angekommen, immer vorausgesetzt, dass sein Wagen nicht in der geräumigen Doppelgarage stand.
Es handelte sich um ein großes, einstöckiges Haus mit weißer
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