Ohne ein Wort
stand. Dann ist sie in die Gasse gefahren und hat mir die Leichen gezeigt. ›Wir müssen sie wegschaffen‹, sagte sie. ›Und du wirst mir dabei helfen.‹«
Clayton schwieg. Die nächste halbe Meile sprach er kein Wort.
Schließlich sagte ich: »Alles okay mit Ihnen, Clayton?«
»Ja«, sagte er.
»Warum erzählen Sie nicht weiter?«
»Ich hätte mich weigern können«, sagte er. »Ich hatte die Wahl, aber vielleicht stand ich zu sehr unter Schock, um das Richtige zu tun. Ich hätte mich ihr widersetzen, die Polizei rufen und den Wahnsinn ein für alle Mal beenden können.«
»Aber das haben Sie nicht getan.«
»Ich hatte mir selbst so viel zuschulden kommen lassen. Ich führte ein Doppelleben. Wäre ich aufgeflogen, hätte mich das ruiniert. Man hätte mich belangt. Vielleicht nicht wegen des Doppelmords an Patricia und Todd. Aber Bigamie ist strafbar, es sei denn, man ist Mormone oder so was. Außerdem hatte ich offizielle Dokumente gefälscht, mich wahrscheinlich des Betrugs und sonstiger Vergehen schuldig gemacht.«
Ich warf ihm einen Seitenblick zu.
»Und dazu kam, dass sie mich genau durchschaute. Sie drohte, den Cops zu erzählen, ich hätte sie angestiftet. Dass es mein Plan gewesen sei, Patricia und Todd zu töten. Und so habe ich mich Enids Willen gebeugt und ihr geholfen. Wir haben die Leichen zu Patricias Wagen geschleift. Die Idee, den Wagen in dem Baggersee bei Otis zu versenken, stammte von mir. Ich hatte den See irgendwann während meiner Geschäftsreisen entdeckt, als ich ziellos durch die Gegend gefahren war – an einem jener Tage, als ich ums Verrecken nicht nach Youngstown zurückwollte. Ich erinnere mich noch genau, wie ich eine kleine Ewigkeit dort oben stand, in den Abgrund starrte und überlegte, ob ich mich hinunterstürzen sollte, aber schließlich binich doch weitergefahren. Ich hatte Angst, dass ich den Sturz überlebe.«
Er hustete und trank einen Schluck Wasser.
»Meinen Wagen ließen wir auf dem Parkplatz stehen. Ich fuhr Patricias Escort. Zweieinhalb Stunden Fahrt durch die Nacht, mit Enid direkt hinter mir in ihrem Auto. Und als wir schließlich dort waren, habe ich einen Felsbrocken aufs Gaspedal gepackt und bin in letzter Sekunde zurückgesprungen. Ich habe noch gehört, wie der Wagen ins Wasser klatschte. Sehen konnte ich nichts. Es war stockfinster.«
Er war völlig erschöpft, rang ein paar Augenblicke nach Luft.
»Anschließend sind wir zurückgefahren, um meinen Wagen zu holen. Und dann ging es zurück nach Youngstown. Ich konnte mich nicht von Cynthia verabschieden, ihr nicht mal eine Nachricht hinterlassen. Es gab keine andere Möglichkeit. Ich musste ein für alle Mal verschwinden, um sie zu retten.«
»Wann hat sie es herausgefunden?«, fragte ich.
»Was meinen Sie?«
»Wann hat Enid spitzgekriegt, dass Sie noch eine Tochter haben? Dass sie Ihre andere Familie doch nicht komplett ausgelöscht hatte?«
»Ein paar Tage später. Sie hat immer wieder die Nachrichten verfolgt, aber bei uns in der Gegend von Buffalo war der Fall kein Thema für die Zeitungen, und das Fernsehen brachte auch so gut wie nichts darüber. Schließlich wusste niemand, dass es sich um Mord handelte. Es gab keine Leichen, und das Blut in der Gasse neben dem Drogeriemarkt war von einem morgendlichenPlatzregen weggespült worden. Schließlich hat sie in der Stadtbibliothek in den überregionalen Zeitungen nachgesehen und dort einen Artikel mit der Schlagzeile ›Familie von 14 -jährigem Mädchen spurlos verschwunden‹ entdeckt. Als sie zurückkam, ist sie komplett durchgedreht. Es war absolut beängstigend. Es dauerte mehrere Stunden, bis sie sich auch nur einigermaßen beruhigt hatte.«
»Aber dann hat sie sich damit abgefunden?«, fragte ich.
»Im ersten Moment wollte sie sofort nach Connecticut fahren, um Cynthia ebenfalls zu töten. Aber ich konnte sie gerade noch aufhalten.«
»Wie haben Sie das gemacht?«
»Ich habe einen Pakt mit ihr geschlossen. Ich habe geschworen, sie niemals zu verlassen und niemals Kontakt zu Cynthia aufzunehmen. Lass sie leben, habe ich gesagt, und ich werde den Rest des Lebens hier verbringen und wiedergutmachen, dass ich dich hintergangen habe.«
»Und darauf ist sie eingegangen?«
»Widerwillig. Es muss all die Jahre an ihr genagt haben, dass sie es nicht zu Ende gebracht hat. Aber jetzt wird sie handeln, schnell und eiskalt. Wegen meines Testaments. Weil sie weiß, dass sie alles verlieren wird, wenn sie Cynthia am Leben lässt.«
»Und
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