Ohne ein Wort
nachdem Sie den Pakt mit ihr geschlossen hatten, haben Sie einfach so weitergelebt wie zuvor?«
»Enid bestand darauf, dass ich den Vertreterjob an den Nagel hänge. Ich habe meine eigene Firma gegründet und von zu Hause aus gearbeitet. Enid hatte eingenaues Auge auf mich. Weiter als bis nach Lewiston bin ich kaum mehr gekommen. Manchmal habe ich mit dem Gedanken gespielt, nach Milford zu fahren, Cynthia alles zu erklären und mit ihr nach Europa zu fliehen. Aber ich hatte Angst, dass ich es vermasseln, irgendwo eine Spur hinterlassen und so schließlich auch noch Cynthias Tod verschulden würde. Daher blieb ich bei Enid. Was uns verband, war stärker als die beste Ehe der Welt. Wir waren Komplizen bei einem furchtbaren Verbrechen gewesen.« Er schwieg einen Moment. »Bis dass der Tod euch scheidet.«
»Und die Polizei? Sind Sie nie in Verdacht geraten?«
»Nein. Obwohl ich damit gerechnet habe, dass sie eines Tages auftauchen würden. Das erste Jahr war das schlimmste. Jedes Mal dachte ich, es seien die Cops, wenn draußen ein Auto vorfuhr. Aber dann waren plötzlich zwei Jahre vergangen, dann drei – und ehe man sichs versieht, sind zehn Jahre ins Land gezogen. Seltsam, wie lang sich ein Leben hinziehen kann, auch wenn man jeden Tag ein kleines bisschen stirbt.«
»Aber irgendwann sind Sie dann doch wieder nach Connecticut gefahren«, sagte ich.
»Nein. Seit jener Nacht bin ich nie mehr dort gewesen.«
»Wie haben Sie Tess dann das Geld für Cynthias Ausbildung übermittelt?«
Clayton musterte mich wortlos. Oft genug hatte mich schlicht fassungslos gemacht, was er mir während unserer Fahrt erzählt hatte, doch nun schien es ihm die Sprache verschlagen zu haben.
»Woher wissen Sie das?«, fragte er.
»Tess hat es mir erzählt«, sagte ich.
»Unmöglich. Woher hätte sie wissen sollen, dass das Geld von mir war?«
»So hat sie es auch nicht gesagt. Sie hat mir erzählt, dass ihr anonym Umschläge voller Geld zugesteckt wurden. Sie hatte zwar einen Verdacht, aber natürlich wusste sie nichts Konkretes.«
Clayton schwieg.
»Aber es war doch von Ihnen«, sagte ich. »Sie haben für Cynthia Geld auf die Seite geschafft, so wie damals für Ihren zweiten Haushalt, oder?«
»Enid hat den Braten gerochen. Jahre später war das. Es sah aus, als stünde uns eine Steuerprüfung ins Haus, und als sie unsere Bilanzen mit dem Steuerberater durchgegangen ist, kamen ein paar kleine Unregelmäßigkeiten ans Tageslicht. Ich versuchte ihr weiszumachen, ich hätte Spielschulden gehabt, aber sie glaubte mir kein Wort. Sie drohte, nach Connecticut zu fahren und Cynthia ebenfalls zu töten, wenn ich nicht mit der Wahrheit herausrücken würde. Und so habe ich ihr erzählt, dass ich Tess zwar mit Geld für Cynthias Ausbildung unterstützt, aber dennoch Wort gehalten hatte. Ich hatte nie Kontakt zu Cynthia aufgenommen. Und Cynthia musste wohl oder übel davon ausgehen, dass ich tot war.«
»Dann muss Enid wohl eine Stinkwut auf Tess gehabt haben.«
»Ja. Enid war der Meinung, dass das Geld ihr gehörte. Sie empfand unbändigen Hass auf Cynthia und Tess – zwei Frauen, die sie nie kennengelernt hatte.«
»Okay, die Geschichte kaufe ich Ihnen ab«, sagte ich.»Aber dass Sie nie wieder in Connecticut waren, ist ja wohl erstunken und erlogen.«
»Nein«, sagte er. »Das ist die reine Wahrheit.«
Darüber dachte ich eine Weile nach, während wir unseren Weg durch die Nacht fortsetzten.
SECHSUNDVIERZIG
»Fest steht jedenfalls«, sagte ich schließlich, »dass Sie das Geld nicht per Post oder FedEx zugestellt haben. Mal fand Tess das Geld in einem Umschlag in ihrem Auto, ein andermal war es in eine Zeitung eingerollt.«
Clayton tat so, als würde er mich nicht hören.
»Wenn Sie das Geld also nicht persönlich übermittelt haben«, fuhr ich fort, »muss es jemand für Sie getan haben.«
Clayton zeigte immer noch keine Regung. Er hatte die Augen geschlossen und den Kopf zurückgelehnt, als würde er schlafen.
»Ich weiß genau, dass Sie mir zuhören«, sagte ich.
»Ich bin todmüde«, sagte er. »Normalerweise schlafe ich um diese Uhrzeit. Ich brauche einfach etwas Ruhe.«
»Eine letzte Frage«, sagte ich. Er hielt die Augen weiter geschlossen, aber seine Mundwinkel zuckten nervös. »Was war mit Connie Gormley?«
Seine Augen öffneten sich so abrupt, als hätte ich ihm einen Elektroschock versetzt.
»Den Namen habe ich noch nie gehört«, sagte er dann.
»Ich helfe Ihnen gern auf die Sprünge«, sagte ich. »Sie
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