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Ohne ein Wort

Ohne ein Wort

Titel: Ohne ein Wort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linwood Barclay
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Eigenschaften.«
    Meine Freundschaft zu Rolly lässt sich als durchaus vielschichtig bezeichnen. Wir hatten ein kumpelhaftes Verhältnis, doch da er gut zwanzig Jahre älter war als ich, stellte er auch eine Vaterfigur für mich dar; wenn ich einen Ratschlag oder, wie ich gern frotzelte, ein wenig Altersweisheit benötigte, war ich bei ihm an derrichtigen Adresse. Ich kannte ihn seit unserer Hochzeit. Er war mit Cynthias Vater befreundet gewesen und, abgesehen von ihrer Tante Tess, die einzige Person mit Verbindung zu ihrer Vergangenheit.
    Es war nicht mehr lang hin bis zu seiner Pensionierung, und zuweilen sah man ihm an, dass er die Tage zählte. Er wartete nur darauf, endlich mit seinem brandneuen Wohnmobil nach Florida abzudüsen und in der Nähe von Bradenton Speerfische und Schwertfische zu angeln.
    »Hast du später ein paar Minuten Zeit für mich?«
    »Na klar. Irgendwas Besonderes?«
    »Nur das Übliche.«
    Er nickte. Er wusste, was ich meinte. »Komm vorbei, am besten nach elf. Vorher habe ich Besuch vom Schulrat.«
    Ich ging ins Lehrerzimmer und warf einen Blick in mein Fach. Keine besonderen Nachrichten. Als ich mich umdrehte, stieß ich mit Lauren Wells zusammen, die ebenfalls nach ihrer Post sah.
    »Sorry«, sagte ich.
    »Hey«, sagte Lauren und lächelte mich an. Sie trug einen roten Trainingsanzug und weiße Sportschuhe; schließlich war sie ja Sportlehrerin. »Na, alles klar?«
    Sie war vor vier Jahren an die Old Fairfield Highschool gekommen. Zuvor hatte sie zusammen mit ihrem Exmann, der ebenfalls Lehrer war, an einer Schule in New Haven unterrichtet, nach der Scheidung aber nicht mehr mit ihm im selben Gebäude arbeiten wollen. Da sie als ausgezeichnete Sportlehrerin und Trainerin galt – Schüler von ihr hatten diverse regionaleWettkämpfe gewonnen –, standen ihr die Türen und Tore verschiedenster Schulen offen.
    Rolly hatte das Rennen gemacht. Unter vier Augen hatte er mich über ihre Vorzüge aufgeklärt, darunter auch »ein super Körper, langes kastanienbraunes Haar und sexy braune Augen«.
    Offenbar hatte ich leicht die Stirn gerunzelt, da er sofort hinzufügte: »Krieg dich wieder ein, ich habe sie lediglich beschrieben. Außer meiner Angelrute kriege ich doch sowieso nichts mehr hoch.«
    All die Jahre hatte mir Lauren Wells so gut wie keine Beachtung geschenkt, aber seit Cynthia in Deadline zu sehen gewesen war, fragte sie mich dauernd, ob sich etwas getan hätte.
    »Gibt’s was Neues?«, fragte sie.
    »Neues?«, sagte ich verdutzt.
    »Na, von den Fernsehleuten«, sagte sie. »Ist doch jetzt schon zwei Wochen her. Hat sich inzwischen jemand gemeldet wegen Cynthias Familie?«
    Cynthia? Sie tat geradezu so, als wären sie und meine Frau gute Freundinnen, obwohl sich die beiden meines Wissens nie kennengelernt hatten. Aber es war ja möglich, dass sie sich auf irgendeinem Schulfest über den Weg gelaufen waren.
    »Leider nein«, sagte ich.
    »Sie ist bestimmt furchtbar enttäuscht«, sagte Lauren und berührte mich mitfühlend am Arm.
    »Nun ja, natürlich wäre es schön, wenn sich jemand melden würde. Irgendjemand muss doch etwas wissen, selbst nach all den Jahren.«
    »Ich denke dauernd an euch«, sagte Lauren. »Erstgestern habe ich einer Freundin von der Sache erzählt. Und? So weit alles okay bei dir?«
    »Bei mir?« Ich tat überrascht. »Ja, absolut.«
    »Na ja«, sagte Lauren leise. »Du siehst manchmal ein bisschen verloren aus. Irgendwie müde. Und traurig.« Merkwürdig, dass ich müde und traurig wirkte. Und noch merkwürdiger, dass sie mich offenbar im Blick hatte.
    »Tatsächlich?«, sagte ich. »Nein, alles läuft bestens.« Sie lächelte. »Das freut mich. Wirklich.« Sie räusperte sich. »Ich muss rüber in die Turnhalle. Lass uns mal in Ruhe reden.« Sie berührte mich abermals am Arm, ließ ihre Hand aber einen Augenblick länger verweilen als beim ersten Mal, ehe sie sich abwandte und das Lehrerzimmer verließ.

    Wer einen Highschool-Stundenplan so organisiert, dass ein Kurs in kreativem Schreiben direkt in der ersten Stunde stattfindet, hat entweder keine Ahnung von Schülern oder einen besonders fiesen Sinn für Humor. Ich hatte mit Rolly darüber gesprochen, doch er hatte lediglich gesagt: »Deshalb heißt es ja ›kreativ‹. Also, lass dir was einfallen, um die Kids so früh am Morgen in Schwung zu bringen. Wenn das einer kann, Terry, dann du.«
    Einundzwanzig Gestalten waren anwesend, als ich die Klasse betrat; die Hälfte hing über ihren Tischen, als

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