Ohne ein Wort
»Ich habe bei Deadline angerufen. Die zuständige Redakteurin war so klein mit Hut, weil sie erst dachte, ich wollte ihr wegen der Hellseherin die Hölle heißmachen. Ich habe sie gefragt, ob sie manchmal Privatdetektive beschäftigen, und schließlich hat sie mir seinen Namen genannt. Sie haben zwar noch nie mit ihm zusammengearbeitet, aber schon mal eine Sendung über ihn gemacht. Die Redakteurin meinte, er gelte als erstklassiger Ermittler.«
»Dann lass uns mit ihm reden«, sagte ich.
Abagnall saß auf der Couch und besah sich die Erinnerungsstücke in Cynthias Schuhkartons, erhob sich aber, als wir wieder hereinkamen. Ich merkte, wie sein Blick auf meiner geröteten Wange verweilte, aber er ließ sich nichts anmerken.
»Ich hoffe, es macht Ihnen nichts aus, dass ich mir die Sachen hier angesehen habe«, sagte er. »Ich würde mich gern eingehender damit beschäftigen – vorausgesetzt, dass Sie meine Dienste in Anspruch nehmen wollen.«
»Das wollen wir«, sagte ich. »Wir möchten, dass Sie herausfinden, was mit Cynthias Familie passiert ist.«
»Ich will Ihnen keine falschen Hoffnungen machen«, sagte Denton Abagnall. Er sprach langsam und überlegt, machte sich zwischendurch Notizen. »Die Spur ist eiskalt. Ich werde mir auf jeden Fall den Polizeibericht ansehen und versuchen, jemanden aufzutreiben, der damals mit dem Fall befasst war, aber Sie sollten nicht zu viel erwarten.«
Cynthia nickte ernst.
Er wies auf die Schuhkartons. »Tja, auf Anhieb ist mir leider nichts ins Auge gefallen, was uns irgendwie weiterbringen könnte. Ich würde die Sachen trotzdem gern mitnehmen – vielleicht stoße ich ja doch noch auf etwas.«
»Kein Problem«, sagte Cynthia. »Solange ich alles wiederbekomme.«
»Selbstverständlich.«
»Was ist mit dem Hut?«, fragte sie.
Der Hut befand sich neben ihm auf dem Sofa. Er hatte ihn bereits inspiziert.
»Zuallererst sollten Sie sich um Ihre eigene Sicherheit kümmern und neue Schlösser installieren lassen.«
»Daran hatte ich auch schon gedacht«, sagte ich.
»Fest steht jedenfalls, dass hier jemand eingedrungen ist, ob es nun Ihr Vater war oder nicht. Sie haben eine kleine Tochter. Allein deshalb liegt es in Ihrem Interesse, Ihr Anwesen so gut wie möglich zu sichern. Ich kann Ihnen jemanden empfehlen, wenn Sie wollen. Im Übrigen lässt sich natürlich feststellen, ob der Hut Ihrem Vater gehört.« Er hielt kurz inne und fuhr in leisem, betont ruhigem Tonfall fort: »Ich könnte in einem Labor einen DNA -Test machen lassen. Härchen, Schweißspuren, irgendetwas finden sie sicher. Aber billig wird das nicht, und ich bräuchte dann noch eine DNA -Probe von Ihnen. Sollten Ihre DNA und die in dem Hut weitgehend übereinstimmen, wüssten wir trotzdem nicht viel mehr als jetzt. Gibt es aber keine Übereinstimmung, haben wir keinen Anhaltspunkt, wer den Hut getragen haben könnte.«
Ein echter Profi. Ich sah an Cynthias Gesichtsausdruck, dass sie hin und weg war.
»Dann sollten wir uns das fürs Erste sparen«, sagte ich.
Abagnall nickte. »Das sehe ich genauso.« Sein Handy klingelte. Er zog es aus der Jackentasche. »Entschuldigen Sie mich bitte einen Moment.«
Er klappte das Handy auf, warf einen Blick auf das Display und ging dran. »Ja, Schatz?« Er lauschte und nickte. »Oh, herrlich.« Er lächelte. »Aber mach’s nichtzu scharf. Okay. Dann bis später.« Er klappte das Handy zu und steckte es wieder ein. »Meine Frau«, sagte er. »Sie wollte mir nur eben sagen, was es zum Abendessen gibt.«
Cynthia und ich wechselten einen kurzen Blick.
»Linguine mit Shrimps in Pfeffersauce«, sagte er. »Da läuft einem doch das Wasser im Munde zusammen. Wie auch immer, Mrs Archer, ich bräuchte dann noch ein Foto von Ihrem Vater. Die Bilder von Ihrer Mutter und Ihrem Bruder haben Sie mir ja bereits gegeben, aber ich benötige natürlich auch sein Foto.«
»Ich habe keins«, sagte sie.
»Ich hake mal bei der Kfz-Zulassungsstelle nach«, sagte er. »Ich bin mir zwar nicht sicher, wie lange die Dokumente dort archiviert werden, aber vielleicht haben sie ja ein Lichtbild. Sagen Sie, welche Route hatte Ihr Vater denn überhaupt auf seinen Geschäftsreisen?«
»Sein Reisegebiet ging bis hinauf nach Chicago«, sagte Cynthia. »Er war Vertreter. Für Schmierstoffe und Zubehör für Autowerkstätten.«
»Seine genaue Route kannten Sie nicht?«
Sie schüttelte den Kopf. »Ich war noch ein Kind. Ich habe gar nicht richtig verstanden, was er überhaupt machte, außer dass
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