Ohne ein Wort
auf.
»Vielleicht sollte man so etwas nicht über seinen Vater sagen, aber … mein Vater hätte weder den Mut noch die Entschlusskraft für eine solche Tat besessen.«
Ich sah Dr. Kinzler an. »Können Sie mir verraten, was dieses Gespräch eigentlich bringen soll?«
»Sie wissen ebenso gut wie ich, dass die Entdeckung der beiden Leichen Ihre Frau zutiefst verstört hat«, sagte die Psychologin. Erhob sie eigentlich nie die Stimme? Wurde sie nie stocksauer? »Und ich versuche, ihr zu helfen.«
»Und wenn ich nun verhaftet werde?«, fragte Cynthia plötzlich.
»Pardon?«, sagte Dr. Kinzler.
»Was, wenn Detective Wedmore mich verhaftet?«, fragte Cynthia. »Was, wenn sie glaubt, dass nur ich den Fundort der Toten kennen konnte? Wie soll ich es Grace erklären, wenn ich verhaftet werde? Und wer soll sich dann um sie kümmern? Sie braucht ihre Mutter.«
»Schatz«, sagte ich, hielt dann aber inne. Um ein Haar wäre ich damit herausgeplatzt, dass ich mich um Grace kümmern würde – womit ich ihr aber zu verstehengegeben hätte, dass ich ihre Schreckensvision keineswegs für abwegig hielt und die Polizei quasi schon vor unserer Haustür stand.
»Wenn sie mich verhaftet, wird sie ihre Ermittlungen einstellen.«
»Sie wird dich nicht verhaften«, sagte ich. »Hätte sie das vor, müsste sie ja auch denken, dass du etwas mit dem Mord an Tess zu tun hast, vielleicht sogar mit dem Mord an Abagnall. Schlicht deswegen, weil diese Dinge irgendwie miteinander in Verbindung stehen. Wir wissen nur nicht, worin dieser Zusammenhang besteht.«
»Vielleicht weiß Vince ja etwas«, sagte Cynthia. »Ob inzwischen jemand mit ihm gesprochen hat?«
»Abagnall wollte ihn genauer unter die Lupe nehmen«, antwortete ich. »Jedenfalls hat er das gesagt, als er bei uns war.«
Dr. Kinzler versuchte das Gespräch wieder in die gewohnte Bahn zu lenken. »Ich denke, bis zum nächsten Termin sollten wir nicht erst wieder zwei Wochen verstreichen lassen.« Dabei sah sie nicht Cynthia, sondern mich an.
»In Ordnung«, sagte Cynthia mit leiser, geistesabwesender Stimme. Sie entschuldigte sich und verließ das Sprechzimmer, um zur Toilette zu gehen.
»Cynthias Tante war doch auch ein paarmal bei Ihnen«, sagte ich zu Dr. Kinzler. »Tess Berman.«
Sie zog die Augenbrauen hoch. »Ja, das stimmt.«
»Was hat sie Ihnen anvertraut?«, fragte ich.
»Normalerweise würde ich das selbstverständlich für mich behalten, aber in Tess Bermans Fall gibt es ohnehin nichts zu sagen. Ja, sie war ein paarmal hier, aber siehat sich mir nie geöffnet. Ich glaube, für Psychologen hatte sie nur Verachtung übrig.«
Ich hätte Tess am liebsten umarmen mögen.
Als wir nach Hause kamen, befanden sich zehn Nachrichten auf unserem Anrufbeantworter, allesamt von Presse, Funk und Fernsehen. Paula von Deadline hatte eine ewig lange Message hinterlassen. Sie sagte, nach den jüngsten Ereignissen sei Cynthia den Zuschauern einen weiteren Auftritt schuldig. Wenn Cynthia doch kurz zurückrufen könne, welcher Termin ihr recht sei; sie würde dann mit einem Kamerateam vorbeikommen.
Kurz entschlossen löschte Cynthia die Nachricht. Kein Zögern, kein Überlegen. Nichts weiter als eine knappe, gezielte Bewegung mit dem Zeigefinger.
»Na also«, sagte ich, bevor mir überhaupt so recht bewusst war, was mir da herausrutschte. »Ist doch anscheinend gar kein Problem.«
»Was?«, fragte sie irritiert.
»Ach, nichts«, sagte ich.
»Wovon redest du? Was ist anscheinend kein Problem?«
»Vergiss es«, sagte ich. »War nicht so wichtig.«
»Du meinst das Anrufprotokoll, das ich gelöscht habe? Als dieser anonyme Anruf kam?«
»Wie gesagt, vergiss es.«
»Das hast du doch gemeint, stimmt’s? Aber ich habe dir doch erklärt, warum mir das passiert ist. Weil ich mit den Nerven am Ende war.«
»Ja, Cyn.«
»Du glaubst mir die Geschichte mit dem Anruf nicht, richtig?«
»Natürlich glaube ich dir.«
»Und da der Anruf ja offensichtlich erfunden war, habe ich mir die E-Mail doch bestimmt ebenfalls selbst geschrieben – so wie auch den anonymen Brief, oder?«
»Das habe ich nicht gesagt.«
Cynthia trat einen Schritt auf mich zu. »Wie soll ich weiter mit dir unter einem Dach leben, wenn ich nicht hundertprozentig sicher sein kann, dass du mir vertraust? Ich brauche keinen Mann, der mich argwöhnisch beäugt und dauernd an mir zweifelt.«
»Das tue ich doch überhaupt nicht.«
»Dann sag es mir. Hier und jetzt. Sieh mir in die Augen und sag, dass du mir
Weitere Kostenlose Bücher