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Ohne ein Wort

Ohne ein Wort

Titel: Ohne ein Wort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linwood Barclay
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der Kahlkopf.
    Ehe jemand antworten konnte, drang plötzlich Musik aus den Lautsprechern. Ein kurzes instrumentales Intro, und dann sang eine Stimme: »Why do birds suddenly appear … every time … you are near?«
    »Leck mich am Arsch«, sagte der Kahlkopf. »Du hörst die Carpenters?«
    »He«, sagte der Fahrer. »Mach halblang. Mit dem Sound bin ich aufgewachsen.«
    »Du meine Güte«, sagte der Blonde. »Die Kleine, die da singt … hatte die nicht irgendein Essproblem?«
    »Ja«, sagte der Fahrer. »Die hatte Magersucht.«
    »Solche Leute«, sagte der Kahle, »sollten lieber mal ’nen ordentlichen Hamburger verdrücken.«
    Dass drei Typen, die locker über eine Band der Siebziger plauderten, mich an einem verschwiegenen Ort abmurksen wollten, war wohl kaum anzunehmen, oder? Einen Augenblick lang fühlte ich mich erleichtert. Dann aber kam mir die Szene aus Pulp Fiction in den Sinn, in der sich Samuel L. Jackson und John Travolta darüber in die Haare kriegen, wie ein Hamburger in Paris heißt, ehe sie kaltblütig ein paar Typen in einem Apartment hinrichten. Wahrscheinlich bestand der einzige Unterschied darin, dass meine Entführer nicht ganz so viel Stil besaßen wie Jackson und Travolta. Tatsächlich stank es im Wagen durchdringend nach Körperausdünstungen.
    Sollte es so mit mir zu Ende gehen? Auf dem Rücksitz eines Geländewagens? Eben hatte ich noch Kaffee in einem Donut-Laden getrunken, und nun fragte ich mich, ob das Letzte, was ich in meinem Leben hören würde, eine Schnulze von den Carpenters war.
    Der Fahrer bog um ein paar Ecken, dann holperten wir über einen Bahnübergang, und wenn mich mein Gefühl nicht ganz trog, ging es anschließend leicht abwärts, als würden wir zur Küste hinunterfahren.
    Schließlich ging der Fahrer vom Gas; der Wagen bog nach rechts ab, fuhr über eine Bordsteinkante und kam abrupt zum Stehen. Durch das Seitenfenster sah ich blauen Himmel und einen Teil einer Hausfassade. Als der Fahrer den Motor abstellte, drang Möwengeschrei an meine Ohren.
    »Okay.« Der Kahle blickte zu mir herunter. »Keine Zicken. Wir steigen jetzt aus und gehen da drüben rein. Sobald du abzuhauen versuchst oder um Hilfe rufst, werde ich dir wehtun. Verstanden?«
    »Ja«, sagte ich.
    Der Blonde und der Fahrer waren bereits ausgestiegen. Der Kahle öffnete seine Tür und trat ebenfalls auf den Asphalt, während ich mich aufrappelte und aus dem Wagen kroch.
    Wir befanden uns in einer Einfahrt zwischen zwei Strandhäusern, offenbar am East Broadway. Zwischen den dicht zusammenstehenden Häusern konnte ich den Strand und dahinter die Bucht von Long Island aufblitzen sehen.
    Der Kahle wies auf eine Außentreppe, die an der Seite des verwitterten gelben Hauses hinauf in den ersten Stock führte. Das Erdgeschoß schien mehr oder minder aus Garagen zu bestehen. Der Blonde und der Fahrer gingen voran; der Kahle folgte mir. Die Stufen waren sandig; es knirschte leise unter unseren Schuhen.
    Am oberen Treppenabsatz öffnete der Fahrer eine Fliegentür und hielt sie uns auf, bis wir allesamt einen großen Raum mit Glasschiebetüren betreten hatten, die auf eine Veranda mit Meeresblick hinausführten. Ich erblickte eine Couch, ein paar Sessel und ein Regal mit Taschenbüchern; weiter hinten befanden sich ein Esstisch und eine Küchenzeile.
    Ein bulliger Typ stand mit dem Rücken zu mir am Herd und hantierte mit einer Pfanne und einem Pfannenheber.
    »Hier ist er«, sagte der Blonde.
    Der Mann nickte wortlos.
    »Wir warten unten«, sagte der Kahlkopf. Der Blonde und der Fahrer folgten ihm nach draußen; ich hörte, wie sie die Treppe hinuntertrabten.
    Ich stand da wie bestellt und nicht abgeholt. Unter anderen Umständen hätte ich die Aussicht bewundert; vielleicht wäre ich sogar auf die Veranda hinausgegangen, um die frische Seeluft tief in meine Lungen zu saugen. Stattdessen richtete ich den Blick auf den breiten Rücken des Mannes, der anscheinend schon auf mich gewartet hatte.
    »Wollen Sie ein paar Eier?«, fragte er.
    »Nein, danke«, sagte ich.
    »Wäre überhaupt kein Problem«, sagte er. »Spiegelei, Rührei, was Sie wollen.«
    »Noch mal danke«, sagte ich.
    »So läuft das, wenn man später aufsteht«, sagte er.
    »Ist meist schon Mittag, wenn ich Frühstück mache.«
    Er öffnete einen Schrank, nahm einen Teller heraus, belud ihn mit Rührei und packte ein paar Würstchen dazu, die er zuvor gebraten haben musste. Dann nahm er sich eine Gabel und ein Steakmesser aus einer

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