Ohne ein Wort
war nur zwei Meilen entfernt, und fünf Minuten später war ich bereits dort. Unterwegs sah ich ein ums andere Mal in den Rückspiegel, um zu checken, ob Rona Wedmore mich vielleicht beschattete, aber offenbar war mir niemand auf den Fersen. Dirksens Garage war ein grauer, einstöckiger Betonbau mit geteertem Hof; vor dem Gebäude stand ein schwarzer Abschleppwagen. Ich parkte und ging an einem Käfer mit Frontschaden und einem Ford Explorer mit eingebeulten Türen vorbei zum Eingang.
Ich betrat ein kleines Büro, durch dessen Fenster man in die Montagehalle sah, wo ein halbes Dutzend reparaturbedürftiger Autos stand. Einige waren zum Lackieren hergerichtet, bei zweien die Kotflügel abmontiert. Ein durchdringender Chemiegeruch stieg mir in die Nase.
Hinter einem Schreibtisch saß eine junge Frau, die aufsah und fragte, ob sie mir helfen könne.
»Ich würde gern mit Vince sprechen«, sagte ich.
»Der ist nicht da.«
»Es ist wichtig«, sagte ich. »Mein Name ist Terry Archer.«
»Worum geht’s denn?«
Um meine Frau, hätte ich beinahe gesagt, aber damit hätte ich bloß erreicht, dass bei ihr die Alarmglockenschrillten. Wenn ein Mann einen anderen sprechen will und sagt, es ginge um seine Frau, hat das zuweilen nichts Gutes zu bedeuten.
Daher sagte ich nur: »Ich muss dringend mit ihm sprechen.«
Wobei sich die Frage stellte, worüber ich überhaupt mit ihm sprechen wollte. Was sollte ich sagen? »Haben Sie meine Frau gesehen? Erinnern Sie sich an sie? Damals hieß sie noch Cynthia Bigge. Sie waren mit ihr an dem Abend zusammen, als ihre Familie spurlos verschwunden ist.«
Und nachdem ich auf so überragende Weise das Eis gebrochen hätte, könnte ich es vielleicht so versuchen: »Übrigens, Sie hatten nicht zufällig etwas damit zu tun? Wäre es vielleicht möglich, dass Sie ihre Mutter und ihren Bruder in einem See versenkt haben?«
Ich hätte mir vorher einen Plan zurechtlegen sollen. Aber ich war über Cynthias Flucht schlicht so verzweifelt gewesen, dass ich nicht daran gedacht hatte.
»Wie schon gesagt, Mr Fleming ist nicht hier«, sagte die junge Frau. »Soll ich ihm etwas ausrichten?«
»Mein Name ist Terry Archer«, wiederholte ich. Ich gab ihr meine Telefon- und Handynummer. »Ich muss unbedingt mit ihm reden.«
»Das wollen viele«, sagte sie.
Und so stand ich ein paar Sekunden später wieder draußen in der Sonne und fragte mich: »Was nun, du Pfeife?«
Bislang hatte ich so gut wie nichts in Erfahrung gebracht. Vielleicht würde mir ja etwas halbwegs Intelligentes einfallen, wenn ich eine Kaffeepause einlegte.Einen halben Block weiter erspähte ich einen Donut-Laden und ging hinüber. Ich bestellte einen Medium-Becher mit Zucker und Milch und setzte mich an einen Tisch, auf dem ein paar leere Donut-Verpackungen lagen. Ich schob sie beiseite und kramte mein Handy hervor.
Erneut versuchte ich, Cynthia zu erreichen, aber wieder schaltete sich sofort die Mobilbox ein. »Schatz, ruf mich zurück. Ich bitte dich.«
Ich war gerade dabei, das Handy in meine Jacke zurückzustecken, als es plötzlich klingelte.
»Hallo? Cyn?«
»Mr Archer?«
»Ja.«
»Hier spricht Dr. Kinzler.«
»Oh, Sie sind’s. Danke für Ihren Rückruf.«
»Ihre Frau ist verschwunden?«
»Sie hat sich mitten in der Nacht aus dem Haus gestohlen«, sagte ich. »Und sie hat Grace mitgenommen.« Dr. Kinzler schwieg. »Hallo?«
»Ich bin noch dran. Aber Ihre Frau hat mich nicht kontaktiert. Sie sollten schleunigst etwas unternehmen, Mr Archer.«
»Danke für den Ratschlag. Was glauben Sie eigentlich, was ich gerade tue?«
»Ihre Frau steht unter extremer nervlicher Anspannung. Ihr Zustand ist alles andere als stabil. Und das könnte auch Folgen für Ihre Tochter haben.«
»Was wollen Sie damit sagen?«
»Gar nichts. Ich empfehle Ihnen lediglich, alle Hebel in Bewegung zu setzen, um Ihre Frau zu finden. Undwenn sie sich bei mir melden sollte, werde ich ihr raten, umgehend nach Hause zurückzukehren.«
»Aber sie fühlt sich dort nicht mehr sicher.«
»Dann sollten Sie dafür sorgen, dass sie sich sicher fühlt«, sagte Dr. Kinzler. »Pardon, aber ich habe einen Anrufer auf der anderen Leitung.«
Und damit legte sie auf. Na toll, dachte ich.
Ich trank meinen Kaffee halb aus, ehe ich merkte, dass er widerlich bitter schmeckte; dann stand ich auf und verließ den Laden.
Ich war noch keine drei Schritte weit gegangen, als ein roter Geländewagen über die Bordsteinkante fuhr und abrupt vor mir hielt. Die Türen
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