Ohne Ende Leben - Roman
›Mach dir keine Gedanken. Du wirst toll sein.‹ Als ob er total überzeugt ist, dass ich es schaffe. Dann sehe ich Parker, wie er mich zu sich winkt, und alle brüllen und verarschen mich, aber ich bin so drauf,dass ich das nicht mal höre. Und genau in diesem Augenblick denk ich mir, was zum Teufel. Was. Zum. Teufel. Ich hab doch nichts getan.
Wumm!
Diese beiden
riesigen
Kerle schnappen mich und schnallen mich auf einen alten elektrischen Stuhl, und genau dann, in diesem Moment, hatte ich keine Ahnung, was mit mir passieren wird. Ich dachte, ich scheiß mir in die Hose.«
Schon vom bloßen Zuhören klopft mein Herz heftig. Balder rutscht auf die Sitzkante.
»Und?«, fordert Balder.
»Ich höre dieses
rrrrrrnnnnn-nnnn-nnnnn
, und ich denke, oh, Scheiße, Mann. Sie drehen dieses Baby ganz schön hoch. Ich beginne über all die Dinge nachzudenken, die ich nie getan hab, wie Wellenreiten oder mich tätowieren zu lassen oder meiner Mom die Meinung zu geigen. Hauptsächlich denke ich dran, dass ich nie ich selbst war. Nie. Ich hörte dieses
rrrrrnnnn-nnn-NNNN-nnn
nah am Ohr, und ich hab mir geschworen, Alter, hab mir geschworen, wenn du hier lebend rauskommst, wirst du’s tun, egal was. Die großen Kerle legen ihre Pranken um meine Gurgel. Parker zieht nen Rasierapparat hervor, setzt ihn mir an den Kopf. Und dreißig Sekunden später bin ich ’n Irokese.«
Er reißt eine warme Dose Limo auf. »Die Leute sind ausgeflippt. Sie schrien meinen Namen: ›Gon-
zo
! Gon-
zo
! Gon-
zo
!‹ Und sie reichten mich über ihre Köpfe durch die Menge. Es war, ja, irgendwie, der tollste Tag in meinem Leben. Und dann bin ich einfach … verschwunden.«
Gonzo schlürft die Limo und wischt sich mit dem Arm über den Mund.
»Wow. Das ist … wow. Und das Tattoo?«, frage ich.
»Das war das Erste, was ich getan hab, nachdem ich vom Stuhl runter bin. Ich und Drew.«
Es ärgert mich, dass Gonzo einen neuen Freund hat, einen, der wesentlich cooler zu sein scheint als ich.
»Also, ich schätze, dass du jetzt berühmt bist, stimmt’s?«, sage ich.
»Ja, das nehm ich an.« Er strahlt wieder und trinkt seine Limo.
»Du hast mich gerettet, mein Sohn«, sagt Balder und umarmt Gonzo. »Du hast ehrenvoll gekämpft. Du bist wahrlich Gonzo der Große.«
Gonzo errötet. »Gonzo der Große. Geil. Ich werd mir ein T-Shirt mit dem Spruch besorgen, sobald wir an einem Einkaufszentrum vorbeikommen.«
Balder stößt Gonzo freundschaftlich mit der Faust. »Meine Rede!«
Jemand klopft an die Tür und wieder rast mein Puls in den roten Bereich. Vielleicht sind es dieses Mal die Cops. Gonzo denkt wohl, es ist der Weihnachtsmann, seinem arroganten Grinsen nach zu schließen. Er rennt zur Tür und öffnet sie. Drew steht da, in einem weißen Muskelshirt. Dicke Büschel schmutzig blonder Haare rahmen sein Chorknabengesicht ein. Seine Arme sind vom Handgelenk bis zum Bizeps tätowiert.
»Hey«, sagt Drew. Er schiebt seine Hände in die Hosentaschen und nickt uns misstrauisch zu.
»Is okay. Sie sind cool«, sagt Gonzo. Drew beugt sich hinunter und gibt ihm einen Kuss direkt auf den Mund. Ich habe Gonzo noch nie so glücklich gesehen. Ich schwöre, er sieht so aus, als ob er gerade einen brandneuen Inhalator bekommen hätte, mit
Captain
Carnage
-Abziehbildern drauf. Und jetzt weiß ich: Für unsere Freundschaft ist Drew keine Bedrohung. Er ist etwas völlig anderes.
»Hey, Drew. Ich bin Cameron«, sage ich und schüttleihm die Hand, damit er weiß, dass ich einverstanden bin mit dem Du-bist-der-ein-bisschen-nach-Jugendknast-aussehende-Frühlingsferienliebste meines besten Freundes.
»Ich hab ihnen gerade von der vergangenen Nacht erzählt«, sagt Gonzo.
»Au, Mann«, sagt Drew mit breitem Südstaatenakzent. »Ihr hättet meinen Jungen hier seh’n soll’n. Nerven wie Drahtseile. Der verputzt schon zum Frühstück die Angst mit links.«
»Ja, das ist unser Gonzo«, sage ich, ohne zu zögern. »Er ist ein ganz ein Wilder.«
»Er hat den Mut eines Kriegers«, stimmt Balder zu.
»Hey, du must Balder sein. Cool. Ich hab dir was mitgebracht, ein Werbegeschenk von der Show«, sagt er und übergibt ihm einen Fotoapparat. In Balders Augen blitzt der Schalk.
Wir treten hinaus vor die Tür und blinzeln in den neuen Tag. Im Partyhaus ist was im Gange. Dort haben bestimmt vierzig Kamerateams Aufstellung genommen und die Menschen strömen in Scharen zur Bühne.
»Was ist denn da los?«, frage ich einen vorübereilenden Typen. Der trägt ein T-Shirt
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