Ohne Ende Leben - Roman
Frühlingsferien vor der Tür stehen? Und ihr wisst doch, ich wollte immer so gerne Skifahren lernen? Also gut, Chets Kirchengruppe hat einen Skikurs organisiert und sie haben extra einen Platz für mich reserviert.«
»Kirchengruppe?«, sagt Dad.
»Ich weiß nicht, mein Liebling«, fährt Mom dazwischen. »Skifahren ist sehr teuer.«
»So viel wird’s nicht werden. Sie übernehmen einen großen Teil und ich kann ja was von meinen Ersparnissen dazulegen …«
Ooooh, schlechter Schachzug, Jen. Zu erwähnen, dass man die Rücklagen fürs College für irgendwas anderes verwendet als den edlen Zweck, gibt automatisch die Rote Karte – aber danke, dass du mitgespielt hast.
Dad setzt sein Oh-du-dummes-Mädchen-Lächeln auf und will damit zeigen, was er für ein grundgütiger Mensch ist. Aber da ihm jede Grundgüte fehlt, kommt das meist ziemlich fies rüber. »Diese Ersparnisse sind fürs College.«
»Dad«, sagt Jenna, schnauft tief und richtet die Augen zur Decke.
»Nein. Du kennst die Abmachung, mein Liebling.«
»Nie darf ich was.«
»Du kannst meine Ersparnisse haben«, sage ich und beißein ein mit Butter bestrichenes Zwiebelbrot. »Ich glaub nicht, dass mich irgendein College nehmen wird.«
Dad unterdrückt einen Seufzer und versucht zu lächeln. »Also, wir werden uns diesen Sommer den Zulassungstests widmen. Auf die Weise wirst du auf das vorbereitet sein, was nächstes Jahr auf dich zukommt.«
»Die Hoffnung stirbt zuletzt«, sage ich und drücke die Daumen.
»GutgesachtgutgebelltheppheppfürnDepp«, stimmt Jenna den Singsang an, der einmal unsere ganz persönliche Zwillingssprache war. Damals, als wir noch befreundet waren.
Mein Vater nimmt einen Schluck Scotch. »Das hat nichts mit Hoffnung zu tun, Cameron. Das ist harte Arbeit. Wenn Wünsche auf Bäumen wachsen würden, wären wir alle reich.«
»Das ergibt keinen Sinn, Dad.«
»Genauso wenig, wie jemand mit deinem IQ an der Highschool scheitert«, sagt er, und das klingt gar nicht eingebildet. Er sieht wirklich gequält aus.
»Hab ich euch erzählt, dass ich im nächsten Semester einen Kurs über die
Jüngere
und die
Ältere Edda
gebe?«, sagt Mom und versucht damit, das Thema zu wechseln. »Könnt ihr euch dran erinnern, wie sehr ihr Kinder diese Wikingersagen geliebt habt, als ihr klein wart? Odin und Freya, Balder und Frigg.«
Dads Augen ruhen noch auf mir, wie auf etwas, aus dem er keine Formel ableiten kann. »Ich weiß, Cameron, du willst, dass ich dich aufgebe. Aber so bin ich nun mal nicht gestrickt.«
Ich könnte Danke sagen. Das Wort liegt schon auf meiner Zunge. Aber offensichtlich bin
ich
nun mal nicht so gestrickt.Er kümmert sich um mich und dann dreht er mir wieder seinen Rücken zu.
»Kannst du mir das Salz rüberreichen?«, sage ich, und dann bestreue ich meine Spaghetti mit Salz, obwohl das wirklich nicht nötig ist.
Nach dem Essen bummeln wir durch die Einkaufsstraße. Die Läden werden bald schließen. Die Leute erledigen die letzten Einkäufe. Mom und Jenna gehen in den Buchladen, Dad steuert das Sportschuhgeschäft drei Türen weiter an. Ich stehe auf dem Gehweg rum. Am Horizont zucken Blitze wie kosmische Morsecodes. Flack-flack-flamm.
Ein obdachloser Alter mit einem Hut aus Stanniolpapier auf dem Kopf schiebt einen quietschenden Einkaufswagen über die fast leere Parkfläche und sammelt herumliegende Dosen ein. Er bleibt vor mir stehen und nickt Richtung Himmel.
»Da braut sich was zusammen. Spürstes nich?«
»Regen«, antworte ich.
»No, Sir. Viel mehr als Regen.« Er zeigt auf seinen Hut. »Besser, du trägst so’n Ding.«
»Das werd ich.«
»Die Welt geht zum Teufel. Das Ende naht.« Er zeigt noch einmal auf seinen Hut. »Besorg dir so einen.«
Er angelt eine flach gedrückte Limodose unter einem Gulligitter hervor. Ein Lastwagen rauscht vorbei, die Strahlen seiner Scheinwerfer stoßen gegen die Finsternis. Der Wind dreht und trägt einen schwachen Geruch von Rauch mit sich. Der Alte schiebt seinen Karren den Gehweg entlang und die Räder quietschen in einem fort.
KAPITEL ACHT
Zwei Wochen später
Handelt davon, was passiert, wenn ich Chet King in den Bauch boxe, und das nicht einmal absichtlich
»Alles okay, Alter?«
Ich schaue in den Spiegel überm Waschbecken der Jungstoilette und versuche, das Unheimliche in meinem Kopf zu beruhigen. Kiffer Kevins Stimme klingt, als ob sie aus den Tiefen eines Tunnels kommt.
»Ich mein’s ernst. Du siehst nicht gut aus.«
»Ich glaub, ich hab
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