Ohne Ende Leben - Roman
…?«
»Weil …« Das Summen in meinem Kopf ist so heftig, dass ich es nicht länger aushalte. »Weil …
Leckt mich doch am Arsch!
«
Mrs Rectors Mund steht offen. Mr Glass ist ausnahmsweise einmal sprachlos. Irgendjemand schnauft: »Oh mein Gott!«
Mr Glass’ Lippen werden schmal. »Mr Smith, verlassen Sie den Klassenraum.«
»Es tut mir leid, ich … aaaaahhhh!« Mein Körper brennt vor Schmerz. »Gottverdammt!«
Mrs Rector deutet mit einer dramatischen Geste auf die Tür. »Raus. Aus. Meinem. Klassenzimmer. Sofort.«
»Ist schon gut,
Señora
Rector«, sagt Kiffer Kevin. »Cameron beruhigt sich wieder. Er hat nur eben ein paar magische Pilze gegessen, das ist alles.«
Dank dir, Kev. Ich versuche meinen Rucksack zu packen, aber meine Muskeln sind anscheinend von einem anderenPlaneten. Arme und Beine zittern und zucken wie die Glieder eines falsch programmierten Tanzroboters, sehr zur allgemeinen Erheiterung der Klasse.
Mrs Rectors Stimme nimmt diesen Da-stehe-ich-drüber-Ton an. »Es reicht. Könnte bitte jemand Mr Smith zum Büro von Direktor Hendricks begleiten?«
»Aber sicher, Mrs Rector.« Chet King springt hoch und richtet sich vor mir zu seiner ganzen Größe auf. »Komm schon, Bruder. Das ist nicht mehr lustig.«
An einem gewöhnlichen Tag hätte ich Chet King für beides gehasst: für seine Gefängniswärterpose und dafür, dass er mich »Bruder« nennt. Aber das ist kein gewöhnlicher Tag, und alles, was ich spüre, ist, dass ich total durchgeknallt bin und mein Körper auf keins meiner verzweifelten Kommandos aus Richtung Kopf reagiert. Chets Hand legt sich auf meinen Arm und das brennt wie Feuer.
»Ahhh, Scheiße!«, schreie ich. Mein spastischer Arm schlägt aus und stößt Chet in den Bauch. Er ist ein großer Kerl, aber der Hieb trifft ihn völlig unvorbereitet. Zuerst schlägt er mit den Knien auf dem Boden auf, dann folgt der Rest. Sofort werfen sich die Sportsfreunde auf mich. Jeder ihrer Griffe scheint meine blanken Nervenenden zu berühren. Nur ganz vage ist mir bewusst, dass ich Worte brülle, die »einer friedlichen Klassenatmosphäre völlig unangemessen« sind.
Das ist wohl der Grund dafür, dass Chet schließlich auf mich einschlägt und mich wegschleppt.
Der Verhaltenskodex der Calhoun Highschool, den wir alle zu Beginn des Schuljahrs unterzeichnen mussten, legt die Umgangsformen ziemlich genau fest. Beliebten Footballspielern in den Magen zu schlagen ist definitiv verboten.Ich werde für fünf Tage wegen regelwidrigen Verhaltens vom Unterricht ausgeschlossen und, dank Kevin, des Drogenmissbrauchs verdächtigt.
Mom musste mich mit ihrem Turdmobil abholen. Sie fühlt sich so gekränkt und – ich kenne meine Mutter – besorgt, dass wir während der Fahrt kein Wort reden – totales Schweigen ist die elterliche Reaktion darauf, dass du absolute Scheiße gebaut hast. Aber der eigentliche Spaß beginnt ja erst noch. Dad wird angerufen und kommt deshalb früher nach Hause (Tut mir leid, Raina!). Es folgt eine Unterredung hinter verschlossener Tür, bei der wir vier im Wohnzimmer sitzen: Mom, Dad, ich und die Enttäuschung. Ich fühle mich wie eine Kamera, die Mom in Großaufnahme filmt: ängstlich, leicht neben der Kappe. Sicher ist das ein Reflex auf ihre Verunsicherung als Mutter. Und dann Dad: angespannt, kontrolliert, stocksauer, entschlossen, die Dinge in Ordnung zu bringen.
Mom: Wir wollen doch nur wissen, ob du ein Problem hast, Cameron.
Dad: Ganz offensichtlich hat er ein Problem, Mary, das ist nicht die Frage.
Mom: Na ja …
Dad: Was hast du da eigentlich verzapft, Cameron? Macht es dir etwa Spaß, vom Unterricht ausgeschlossen zu werden?
Mom: Ist es Marihuana, mein Schatz? Hast du schlechten Stoff geraucht?
Dad: Wenn Colleges jetzt in deine Schülerakte schauen, glaubst du, dass sie dir dann noch den roten Teppich ausrollen? Mein Gott, wir können froh sein, wenn wir dich an einem staatlichen College unterbringen.
Mom: Du hast doch nicht etwa Leim geschnüffelt oder sowas, mein Schatz? Bitte. Das Zeug kann nämlich dein Hirn zerstören.
Dad: Und einem Jungen in den Magen schlagen? Großartig. Einfach großartig.
Mom: Oh Gott, es ist doch nicht etwa Crystal? Ich habe einen Bericht darüber gesehen. Die Nasen der Leute mussten rekonstruiert werden.
Schnitt. Die Kamera schwenkt in Großaufnahme auf einen Teenager, der sich gerade die Frage stellt, ob er seinen Eltern die Wahrheit sagen soll, und der abwägt, ob sie ihm glauben oder
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