Ohne Ende Leben - Roman
einmal angefangen, kann ich nicht mehr aufhören, bis ich Dr. Klein alles über die unheimlichen Flammenträume erzählt habe, die Botschaft auf der Feder, das Flügelmädchen mit dem pinkfarbenen Haar bei
Buddha Burger
und das Gefühl, dass mein Körper komplett von Aliens besetzt ist, die mich in Intervallen stechen und mir langsam das Gedächtnis rauben.
Dr. Klein notiert sich Stichworte und dann hört er auf zu schreiben, sitzt einfach da, stocksteif, und sieht ein bisschen geschrumpft und verängstigt aus in seinem Große-Jungen-Sessel. Zum Schluss händigt er meinen Eltern das Rezept für ein Antipsychotikum aus und verordnet ein paar ernsthafte Therapiesitzungen.
So. Jetzt hab ich also eine Drogenberaterin besucht, die mir empfahl, mit einem Seelenklempner über meine Gefühle zu reden und auf die Drogen zu verzichten, und einen Seelenklempner, der sich anhörte, was ich zu erzählen hatte, und mich dann sofort auf Droge setzte.
Gott sei Dank hab ich mir noch ein bisschen Gras aufgehoben.
KAPITEL ZEHN
Handelt davon, was passiert, wenn ich mich selbst auf einer dunklen Landstraße wiederfinde und Feuer vom Himmel regnet
Das Medikament gegen meinen Wahnsinn macht mich echt müde, aber schlafen kann ich trotzdem nicht. Die Schlaflosigkeit ist in der vergangenen Woche schlimmer geworden. Bis vier Uhr früh glotze ich jede Nacht Late-Night-TV. Letzte Nacht war’s mir so langweilig, dass ich tatsächlich im öffentlichen Fernsehen eine Sendung über ein paar Wissenschaftler angeschaut habe, die ihre eigene Big-Bang-Maschine bauen. Es handelt sich um irgendeine Art von Super-Teilchenbeschleuniger, so ein Speicherring-Dingsda, das sie nützen wollen, um Strings und Superstrings und Parallelwelten zu entdecken, die unser Verstand bis jetzt noch nicht wahrnimmt. Da gibt’s Welten, die so klein sein können wie eine Schneekugel oder so groß wie die Milchstraße. Elf Dimensionen. Jedenfalls sagen sie, dass das möglich ist.
Im Augenblick ist die Dimension, in der ich mich befinde, extrem öde. Im Prinzip stehe ich seit dem Störfall Chet unter Hausarrest. Aber heute Abend hält Dad einen Vortrag an der Uni, Mom besucht ihren Literaturclub und Jenna ist mit ihrer Mädchenclique unterwegs. Ich fühle mich irgendwie beschissen – meine Muskeln schmerzen, als hätte mir das ganze Footballteam einen Bodycheck verpasst.Aber meine Freiheit werde ich nicht vergeuden! Ich rauche genug, um locker zu werden, und fahre mit dem Rad rüber zu
Eubie’s
.
»Hey, Cam-run!«, begrüßt mich Eubie, als ich zur Tür reinkomme. »Wo warst du die ganze Zeit?«
»Nirgendwo.«
»Immer noch? Is nicht wahr.« Er wirft mir einen freundlichen Blick zu. »Du siehst mitgenommen aus, völlig abgeschlafft.«
»Vielen Dank.«
»Dir fehlt Farbe. Du musst ins Freie. Dinge erleben. Musik spielen. Dich verlieben.«
»Ja, tu ich doch. Tag und Nacht«, sage ich und wühle in einem Stapel neuer Platten.
»Warum redest du mit mir wie ein Klugscheißer? Ich mein’s ernst«, sagt Eubie. »Das Leben ist kurz, mein Freund.«
»Sagt man. Hast du was Neues für mich?«
Eubie legt die Hände auf den Ladentisch und beugt sich nach vorn. »Nein«, sagt er. »Es sei denn, du willst dir diese
Junior Webster -Platte
ausleihen.«
»Vielleicht irgendwann anders.«
»In Ordnung. Ich will dich nicht drängen. Aber du verpasst was. Hey, guck mal«, sagt Eubie und wedelt mit einem Reiseführer vor meiner Nase. »Hab mir zwei Tickets nach New Orleans gekauft, zum Mardi Gras.«
»Für wen ist das andere Ticket?«
Eubie legt die Hand aufs Herz und wankt zurück, als sei er schockiert. »Cam-run? Hast du mich eben was Persönliches gefragt? Hast du etwa gerade Interesse an deinem alten Kumpel geäußert, an jemand anderem als deinem eigenen leidgetränkten Ich? Mein Gott, Jesus! Ein Wunder – fürwahr ein Wunder!«
»Ja, ja, ja«, sage ich, und tu so, als ob es mich nicht betrifft. Ich interessiere mich für andere Menschen. Ich hätte gern Sex mit Staci Johnson. Das ist eine Form von Interesse.
»Ich nehm meine neue Flamme mit«, sagt Eubie und küsst die Tickets. »Die dunkle Deanna. Miss D.«
Ich fahre mit der Hand über meinen Nacken. Ich schwitze und gleichzeitig ist mir kalt. »Klingt wie der Name eines Pornostars. Oder einer Dragqueen.«
Eubie hebt einen Finger. »Hör auf damit. Hast du heute Abend was vor?«
Ich zucke mit den Schultern.
»Was heißt das?«
Nichts. Das ist das Schöne am Schulterzucken: Es ist total
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