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Ohne Ende Leben - Roman

Ohne Ende Leben - Roman

Titel: Ohne Ende Leben - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Libba Bray
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und ringt mit den Händen.
    »Hallo«, sagt er. Er hat eine nette Stimme – beruhigend. Schwer zu sagen, wie alt er ist, auf jeden Fall älter als mein Vater. Ein Asiate, mit langem, grau meliertem Haar und buschigen schwarzen Augenbrauen über seinen erschöpft und gleichzeitig überrascht dreinblickenden Augen. Er sieht aus wie einer von den Leuten, die im Leben schon alles gesehen haben und es trotzdem nicht glauben können.
    »Ich werde es herausfinden. Zeit, Tod – das sind nur Illusionen. Unsere Atome, die Struktur unserer Seele, leben weiter. Davon bin ich überzeugt.« Er hält das eigenartige Spielzeug hoch. »Irgendwo in diesen elf Dimensionen, die wir noch nicht sehen können, liegen die Antworten auf die größten aller Fragen: Warum sind wir hier? Wo kommen wir her? Wo gehen wir hin? Gibt es einen Gott, und wenn ja: Ist Er gleichgültig oder einfach nur sehr, sehr, sehr beschäftigt?«
    Nach einem Signalton zeigt das Video Leute, die auf einem Feld in der Nähe von Windrädern Fußball spielen. Klick. Schneller Schnitt zum asiatischen Typen, wie er gerade seinen Arm um die lächelnde sommersprossige Frau von dem Schreibtischfoto legt. Sie presst ihre Lippen auf seine.
    »Ah«, lacht er. »Die Ewigkeit – in einem Kuss!«
    Kurze Abblende, dann kommt das Bild wieder, mit demselben Mann, jetzt aber ist er älter. Sein langes Haar ist größtenteils silbergrau, seine Augen blicken erschöpfter. Den Song der
Copenhagen Interpretation
hört man immer noch. Der Mann hält eine große weißrosa Feder hoch.
    »›Hoffnung hat gefiederte Flügel und lässt sich auf der Seele nieder.‹ Emily Dickinson. Warum müssen wir sterben, wenn jede Faser in uns sich nach dem Leben verzehrt? Träumt nicht alles in uns von mehr als dem bisschen Leben?« Seine Hände schließen sich um etwas, das wie eine Eintrittskarte oder eine Schlüsselkarte aussieht. »Heute Nacht breche ich zu anderen Welten auf. Auf der Suche nach Beweisen. Auf der Suche nach Hoffnung. Auf der Suche nach einem Grund, weiterzuleben. Oder zu sterben   …«
    Das war’s. Mehr kommt nicht. Ich will es noch einmal abspielen, aber alles, was ich sehe, ist die Filmsequenz,die am Ende jedes
ConstaToon
-Zeichentrickfilms gezeigt wird: das Bild einer funkelnden Galaxie, die der Roadrunner plötzlich mit seinem Kopf durchstößt und dabei ein Loch in den Weltraum reißt. Der Rennkuckuck hält ein Schild hoch, auf dem steht: PIEP-PIEP.   DAS WAR’S FÜR HEUT, KINDER.
    Das Nächste, was ich weiß, ist, dass eine Sirene in meinen Ohren dröhnt.
    »Cameron!«, brüllt jemand gegen den unmenschlichen elektronischen Lärm an, der nicht enden will. »Cameron!«
    Ich ringe nach Luft und wache auf – schweißgebadet.
    »Cameron! Wir kommen zu spät!« Mom. Schreit. Von unten.
    Der Wecker schrillt immer noch. Rot blinkende Digitalziffern bedrohen mich: 7:55.   Ich liege im Bett und habe noch meine Sachen von gestern an.
    »Komme sofort!« Ich bestrafe den Wecker mit einem festen Schlag und fühle mich beschissen. Meine sauberen Klamotten liegen auf einem Haufen am Fußboden. Als ich nach ihnen greife, tut mir jeder einzelne Muskel weh. Das ist eindeutig ein Tag für die Schulschwester.
    Unten surrt das Haus vor Geschäftigkeit, von all dem Tu-dies-tu-das, das die Leute so zu lieben scheinen. Mom sieht noch erschöpfter aus als sonst. Sie trägt einen Ohrring und sucht den anderen. »Cameron, Liebling, wir müssen gehen! Pack dir einen Müsliriegel ein.«
    »Hab keinen Hunger«, sage ich und nehme mir einen halben Bagel von Jennas Teller.
    Jenna schnappt ihn sich wieder. »Mom, kannst du bitte deinen Sohn daran erinnern, dass er jeden Kontakt mit mir zu unterlassen hat.«
    Mom wirft die Hände in die Höhe. »Könntet ihr euchbitte zusammenreißen? Ich hab einen sehr wichtigen Termin beim Dekan.«
    »Er hat angefangen«, schmollt Jenna.
    Die Küche riecht nach Rauch. Für einen Augenblick kriege ich Panik, als ich an die haschbedingte Episode von vergangener Nacht denke.
    »Mom, du hast den Toaster angelassen. Er brennt.«
    »Nein, ich hab ihn ausgemacht. Wo ist bloß mein Ohrring?«
    »Mensch Mom. Ich riech doch, dass er sich überhitzt hat. Mir wird’s übel.«
    Jenna hält ihren Bagel hoch und inspiziert ihn: »Hallo! Nicht getoastet, okay?«
    »Ha! Du sprichst mit mir!« Ich würde die Situation gern noch ein bisschen weiter ausreizen, aber selbst dieses kleine Hickhack bereitet mir Kopfschmerzen.
    »Also bitte, ihr zwei. Jenna, könntest du mir meinen Ohrring

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