Ohne Ende Leben - Roman
versinkt das Land in tiefem Schwarz. Das bringt sie zum Lachen und ihr Gelächter klingt schrecklich – wie die Schreie von Menschen, die bei lebendigem Leib verbrennen.
Einer der Feuerriesen bemerkt mich. Unsere Blicke verhaken sich. Mein Blut pulst in einem neuen Rhythmus durch die Adern – rennrennrennrennrenn. Ich glaube, der Feuerriese spürt das. Er kreischt, deutet mit glühendem Arm in meine Richtung, und die Hitze wirft mich zurück. Heilige Scheiße! Mein Kopf dröhnt und mein Gesicht brennt wie nach einem Sonnenbrand. Ich schnappe mir mein Fahrrad und versuche, in die Pedale zu treten, als wäre ich nicht verletzt und total am Ende. Das Rad schwankt hin und her und fährt dann geradeaus. In meiner Nase hat sich der Brandgeruch festgesetzt. Hinter mir höre ich das schreckliche Gebrüll.
Du musst es nur bis zur Abzweigung schaffen. Weiter nichts. Halt. Nicht. An.
Jemand steht auf der Straße.
Ich steige in die Eisen und komme fast wieder ins Schleudern. Es ist dunkel und man erkennt kaum was, aber dort steht jemand, auf jeden Fall. Und er ist groß.
»Hallo!« Die Panik in meiner Stimme macht mich wahnsinnig. »Rufen Sie die Feuerwehr!«
Der Kerl bewegt sich nicht.
»Hallo? Können Sie mir helfen?«
Ein Donnerschlag wie ein Urknall. Blitze zucken um uns herum und ich erhasche einen flüchtigen Blick auf die Gestalt: großer Kerl. Schwarze Rüstung, die wie Öl funkelt. Helm. Eisernes Visier. Schwert. Das Schwert reflektiert das grelle Licht der Blitze, dass mir die Augen wehtun. Dannwieder Dunkelheit. Jetzt scheint die Nacht noch schwärzer als zuvor. Ich kann nichts sehen, ich kann mich nicht bewegen, ich kann nicht denken, ich kann nichts tun, außer nach Luft zu schnappen wie ein Fisch, der an den Strand gespült wurde und darauf hofft, dass ihn eine Welle zurück ins Meer trägt. Ein weiterer Blitz zerreißt für wenige Sekunden die Nachtschwärze.
Er ist weg. Die Straße vor mir ist frei.
Der Regen prasselt im Stakkato auf die Erde. Ich muss was tun. Mein Herz randaliert. Ich laufe über die Straße und halte so viel Abstand wie möglich zwischen mir und dem, was immer an Schaurig-Schrecklichem hinter mir lauert. Erst als ich sicher um die Ecke gebogen bin, schaue ich zurück: Im Platzregen sind die Feuerfelder zu rauchenden Ruinen heruntergebrannt. Die Feuergötter und der große Kerl sind verschwunden. Und über mir nichts als Wolken und Regen.
Das leere Rechteck mit dem Fragezeichensymbol starrt mich an, weiß und ahnungslos: »Ehrlich«, möchte ich ihm sagen, »ich weiß nicht einmal, wie ich diese Suche
starten
soll.« Gigantische, futuristisch aussehende Rittertypen, die mitten auf der Straße stehen? Bedrohliche Feuerriesen? Schwarze Löcher über der Vorstadt?
Vielleicht war es ein Tornado oder irgendeine optische Täuschung, oder vielleicht wurde meinem Gras irgendein fremdartiges Hydrokulturzeugs untergemischt. Im Licht des Computerbildschirms tippe ich »Erfahrungen mit schlechtem Stoff« ein. Seite für Seite erscheinen Beiträge von Leuten, die auf irgendwelchen Partys in Ohnmacht fielen und die sich mit Permanentmarkern
Scheißhauspapier
auf die Stirn schrieben. Nichts darüber, was ich gesehen habe. Ichklicke auf
Aktualisieren,
und plötzlich taucht ein neuer Link auf: www. FolgeDerFeder.com . Und da erscheint ein Bild von einer dieser sonderbaren Federn, wie der, die ich in meinem Zimmer gefunden habe.
Mein Mund fühlt sich trocken an, als ob mein Speichel geklaut worden ist. Schließlich klicke ich auf die Menüleiste und der Bildschirm wird für eine Sekunde dunkel. Ein Bild der
Small
World
-Bootsfahrt taucht auf. Aus den Lautsprechern dröhnt der Song. Eine Schriftzeile treibt ins Zentrum des Bildschirms:
Folge der Feder
. Daneben befindet sich ein kleines Federsymbol. Ich klicke es an und ein Videoclip erscheint.
Ein Typ im Laborkittel sitzt an einem mit allem möglichen Kram bedeckten Schreibtisch: Papiere. Ein seltsam leuchtendes Spielzeug, das teils aussieht wie eine Muschelschale, teils wie ein mit Röhrchen gespicktes Windrädchen. Das gerahmte Foto einer lächelnden Dame mit blondem Haar und Sommersprossen. Ein altmodischer Radioapparat. Ich erkenne die Musik im Hintergrund – irgendein Stück der
Copenhagen Interpretation
. In einem Regal hinter dem Kopf des Typen steht eine eindrucksvolle Sammlung von Schneekugeln. Der Mann lehnt sich nach vorn, um irgendwas an der Kamera zu regeln, und sein Gesicht wird unscharf. Dann lehnt er sich zurück, lächelt
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