Ohne Ende Leben - Roman
Viren stellen alle möglichen Sachen an.
»Dein Fall ist sehr ungewöhnlich, Cameron.« Der Spezialist klopft mit dem Füller gegen eine Aktenmappe auf seinem Schreibtisch. Hast du jemals von der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit gehört?«
»Nein. Was ist das?«
»Das ist eine neurologische Krankheit, betrifft also das Gehirn. Vielleicht hast du gehört, dass sie dem Rinderwahnsinn bei Tieren entspricht.«
Ich werfe einen Blick auf Dad, der aussieht, als ob er für die
Mount
Rushmore
-Gedenkstätte Modell sitzt. Kein klitzekleines Augenzwinkern.
»Rinderwahnsinn«, wiederhole ich. »Betrifft das nicht … Kühe?«
»Ja, also, hier haben wir es mit der menschlichen Ausprägung zu tun. Aber größtenteils verläuft die Krankheit gleich.«
Ich erinnere mich schwach daran, eine Nachrichtensendung über Rinderwahnsinn gehört zu haben. Einige Kühe wurden durch schlechtes Futter verrückt, daher »Rinderwahn«. Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass ich keinerlei schlechtes Futter gemampft habe, sofern man nicht den Fraß dazuzählt, den sie in der Calhoun Cafeteria servieren. Also ist mir schleierhaft, wie ich zum Creutzfeldt-Jakob-Irgendwas gekommen sein könnte. Klingt wie der Markenname von Super-Lautsprecherboxen.
Meine rechte Hand zittert. Ich krieg es nicht in den Griff und fühle mich, als ob sich meine Haut wie ein Reißverschluss öffnet und ich aus ihr herauskrieche.
»Weißt du, da gibt es diese infektiösen Proteine, Prionen genannt, die normalerweise nicht gefährlich sind, manchmal jedoch geht’s schief. Und wenn das passiert, gibt’s Probleme. Zum Beispiel …« Er zieht eine Büroklammer hervor. »So eine Büroklammer hält Papiere sehr gut zusammen. Aber wenn ich sie aufbiege, etwa so« – er biegt ein Ende hoch –, »funktioniert sie nicht länger wie gewohnt.« Dr. Spezialist schubst einen Stoß Papier in die verkorkste Klammer und die Blätter verstreuen sich über den Schreibtisch. »Und dann reproduzieren sich diese Prionen – die verbogenen Büroklammern –, ergreifen die Macht über dein Gehirn und zerstören es mit der Zeit.«
»Oh. Ah-jaa«, sage ich, weil ich nichts von dem wirklich aufnehmen kann, was er sagt.
»Das ist Unsinn. Wo könnte er sich infiziert haben? Sie erzählen mir, dass ein normaler sechzehnjähriger Junge an Creutzfeldt-Jakob erkrankt?«, blafft Dad ihn an.
»Es könnte alles gewesen sein«, sagt der Spezialmannund zuckt wenig überzeugend mit den Schultern, »verdorbenes Rindfleisch oder sogar ein genetischer Defekt. Die Wahrheit werden wir wahrscheinlich nie erfahren.«
»Inakzeptabel. Das ist reine Spekulation«, faucht Dad, und in den nächsten paar Minuten unterhalten sich er und Dr. Spezialist in irgendeiner Geheimsprache. Im Prinzip teilt Dad Dr. Spezialist mit, dass er nur Scheiße labere, und der Doktor liefert Argumente, warum er es nicht tut. Ich verstehe nicht viel davon, weil ich Kopfschmerzen habe. Es fühlt sich an, als ob unter meiner Kopfhaut eine Armee von Ameisen eine Aerobicstunde absolviert. Ich will hier nicht länger bleiben.
»Also, wie sieht die Behandlung aus?«, frage ich.
Dr. Spezialist klopft mit seinem Füller leicht gegen die Tischplatte. Dad wird still. Mom zerknüllt ihr Taschentuch. In mir steigt eine schreckliche Ahnung auf.
»Ich kann doch geheilt werden?«
Für ein paar Augenblicke sagt niemand etwas und das fühlt sich an wie die längsten Sekunden meines Lebens. Dr. Spezialist setzt sich etwas aufrechter und verwandelt sich vom Menschen zur Arztmaschine. »Zurzeit erforschen wir noch verschiedene Möglichkeiten«, sagt er mit dieser ruhigen Stimme, die sie einem, neben einer beschissenen Handschrift, an medizinischen Hochschulen beibringen.
»Aber, was – die anderen Menschen, die diese Kräh … diese Kreuz…«
»Creutzfeldt-Jakob-Krankheit …«
»… den, die, ähm, dieses Rinderwahndings bekommen haben, was ist mit denen passiert?«
Der Doktor räuspert sich. »Das hängt davon ab, wie weit die Krankheit fortgeschritten ist. Aber es gibt ein paar Dinge, die du wissen musst, Cameron.«
Dr. Spezialist findet schließlich seine Stimme wieder. Jetzt aber möchte ich ihm einfach nur sagen, dass er seinen Mund halten soll. Die Nachricht braust wie eine große Welle über mich. Ich kann mich nur an ein paar Worten und Sätzen festhalten. »Zunehmender Muskelschwund«, »schwankender Gang«, »Demenz und Wahnvorstellungen«, »vier bis sechs Monate«, »Krankenhaus«,
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