Ohne Ende Leben - Roman
pendelt mit ihnen, sodass seine Fersen leicht an den Metallrahmen schlagen. Das klingt wie Glockentöne. »Alles und jedes?«
»Ja«, sage ich leise. »Dulcie sagt, dass du auch ein Teil des Plans bist. Dass du deine Bestimmung auf dieser Reise finden wirst und dass wir deshalb ins selbe Krankenzimmer gesteckt wurden. Kein Zufall. Alles hängt mit allem zusammen. So was wie ne Fügung.«
Gonzos Augenbrauen ziehen sich in einem Anflug von Konzentration zusammen, als ob sie pelzige Raupen wären. »Also, wie – wann soll diese große Mission losgehen?«
»Heute Nacht. Jetzt sofort.«
Gonzo starrt mich an. »Das ist Wahnsinn, Alter! Du weißt, dass wir unsere Spritzen brauchen, wo auch immer wir hingehen. Und außerdem hab ich nur noch eine Rolle von meinem Spezialtoilettenpapier –«
»Wir kriegen mehr davon. Gonzo, das ist meine einzige Chance, am Leben zu bleiben, okay?«
»Ich weiß nicht, Mann. Ich muss mit meiner Mom drüber reden.« Er greift nach seinem Handy und ich reiße es ihm weg.
»Nein. ’tschuldigung. Wenn wir gehen, können wir niemandem was erzählen. Sie werden versuchen, uns aufzuhalten. Es muss ein Geheimnis bleiben.«
»Meine Mom wird ausflippen, Alter.« Gonzo atmet flach. Er grapscht sich den allgegenwärtigen Inhalator, seine Variante einer Schmusedecke, und sprüht sein Keuchen weg.
»Gonzo, wenn Dulcie recht hat, ist deine Mom in zwei Wochen tot.« Ich schleudere sein Handy nach ihm. »Mach, was du willst. Ich jedenfalls geh Dr. X suchen. Und ich verschwinde heute Nacht.«
Ich werfe meinen Rucksack aufs Bett. Alles, was ich habe, sind ein paar saubere Garnituren Unterwäsche und die Kleidung, in der ich gekommen bin. Die Jeans fühlt sich fremd an an meinen Beinen, so als ob sie meine Haut aufweckt. Ich grapsche mir den kotzgelben Behälter mit seiner Ansammlung hilfreicher Produkte – Zahnbürste, Zahnpasta, kratzige Papiertücher, Mundwasser, Kamm und Creme –, versenke den Inhalt im Rucksack und schiebe den Behälter zurück auf den Nachttisch.
Gonzo hat seine plumpen Hände an die Hüften gestemmt wie ein ermatteter Ferienlagerbetreuer. »Du bist wahnsinnig, Alter.«
»Ja. Amtlich beglaubigt.«
»Okay«, sagt er mit einem Seufzer. »Gib mir eine Minute zum Anziehen. Ich begleite den rinderwahnsinnigen Arsch.«
KAPITEL SIEBZEHN
Welches von unserer kühnen Flucht aus dem Krankenhaus handelt und vom Gespräch mit einem stinkenden Alten, der einen Blechhut auf dem Kopf trägt
Krankenschwestern sind wie kleine Cops. Wenn man sie braucht, sind sie nie da. Aber wenn du ihnen aus dem Weg gehen willst, sind sie überall.
»Wie kommen wir an der Schwesternstation vorbei?«, fragt Gonzo mit Panik in der Stimme, als wir die Tür einen Spalt weit öffnen und den Flur hinunterspähen, der von unserem Zimmer aus an der Schwesternstation vorbei zu den Aufzügen um die Ecke führt.
Er hat nicht ganz unrecht. Der ideale Ort für einen Herzstillstand, wie das immer in T V-Serien passiert. Dann klingelt und pfeift es überall und alle rennen aufgeregt herum. Aber wir sind hier nicht in einer Fernsehserie, wir sind in einem richtigen Krankenhaus mit kranken Menschen, die das tun, was kranke Menschen am besten können, nämlich die meiste Zeit ohne großes Gedöns herumliegen.
»Das ist eine schlechte Idee. Blasen wir das Ganze ab«, sagt Gonzo.
»Jetzt sei nicht so ein Weichei!«
»Bin ich nicht! Es ist nur, ich meine, nun komm schon, Alter. Das geht so nicht.«
Meine Augen suchen den Flur ab. Glory steht an derSchwesternstation und schwatzt mit zwei Frauen, die hinter Computerbildschirmen sitzen. Heute trägt sie ihre malvenfarbene Schwesterntracht. Ich weiß, dass sie das Engelsbändchen um den Hals hat. Irgendjemand sagt etwas Lustiges und Glory lacht. »Mein Gott, Mädchen, hilf mir«, sagt sie in diesem Tonfall, der wie Musik klingt. Rechts von uns hängt ein rotes Schild,
Ausgang
, das den Weg zum Treppenhaus weist.
»Mach schon«, sage ich und ziehe Gonzo aus dem Zimmer. »Schau nicht hoch. Geh einfach weiter!«
Das helle Flurlicht überflutet uns wie Wellen. Eine Putzfrau schiebt ihr Wägelchen an uns vorbei, ein Arzt schreitet vorüber und zieht einen Rattenschwanz von Assistenten hinter sich her. Besucher mit üppigen Blumengebinden und Luftballons laufen herum. Die Geschenke verschleiern Angst und Kummer, die sich in ihren Augen verbergen.
Hier will ich nicht sterben. Das ist das Einzige, was ich weiß.
Mein rechtes Bein zuckt. Es muss funktionieren.
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