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Ohne Ende Leben - Roman

Ohne Ende Leben - Roman

Titel: Ohne Ende Leben - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Libba Bray
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umzingelt. Irgendwie ist das cool, als ob ich übers Wasser gleiten würde.
    »Lake Pontchartrain Damm«, sagt die Dame gegenüber. Sie trägt ein BESTE OMA DER WELT- T-Shirt . Unter ihrem geblümten Rock sieht man Stützstrümpfe, die nur bis zu ihren spitzen Knien reichen. Sie bietet mir ein paar Erdnüsse an. Ich lehne ab, sie steckt sie weg und zieht eine lange, dünne Zigarette hinterm Ohr hervor.
    »Haste Familie in Nu’walins?«
    »Nein.«
    »Warste schon mal dort?«
    Ich schüttle den Kopf.
    »Is’n verdammt kultiger Ort. Früher jedenfalls. Aber nach dem, was sie ihm angetan haben   …« Sie schüttelt den Kopf. »Wir überleben auch das, wir überleben das.« Sie singt ein kleines Lied vor sich hin. Es klingt alt und traurig und verspricht bessere Tage. »Oh, Land der Gerechtigkeit, bald werden wir dich betreten. Ich muss eine rauchen. Sie sagen, Rauchen bringt dich um, aber ich hab mein ganzes Leben lang geraucht und bin gesund wie ein Pferd.«
    Sie hustet heftig, dreht immerzu ein Streichholzbriefchen zwischen den Fingern. Das Bild darauf kommt mir bekannt vor, und ich werfe den Kopf zurück, um besser sehen zu können. Es ist das Cover des
Junior Webster
-Albums, das mir Eubie gezeigt hat.
    »Hast du vom
Golden Trumpet Club
gehört?«, fragt die alte Lady und hält das Streichholzbriefchen in die Höhe.
    »Nein«, lüge ich. Ich will wirklich nicht in ein Gespräch verwickelt werden.
    »Guter Platz. Hier. Du kannst das haben, mein Süßer.« Sie legt mir die Streichhölzer in die Hand.
    »Nicht nötig.« Ich versuche, sie zurückzugeben.
    »Nein. Nimm sie. Als Souvenir deiner ersten Reise nach Big Easy. Man weiß nie, wann man sie brauchen kann.«
    »Danke schön.« Diese Streichhölzer sehen altertümlich aus. Mit ihnen kann man wahrscheinlich ums Verrecken nichts anzünden. Auf der Rückseite des Heftchens steht
The Golden Trumpet Club, 141   N.   Rampart Street
, mit einer Telefonnummer, die mit Buchstaben beginnt. Ich stecke sie in meine Tasche, lege den Kopf an die Rückenlehne und blicke aus dem Fenster auf die Brücke, die kein Ende nimmt.Nach einer Minute fängt die Lady wieder an, ihr Lied zu singen, und wiegt mich damit in den Schlaf.
    Gegen Abend kommen wir in der Stadt an. Die Skyline glitzert im dunstigen Licht der Spätnachmittagssonne. New Orleans sieht aus, als ob es gerade aus dem Wasser aufgetaucht ist wie ein Märchen, wie ein modernes Atlantis, das eigentlich nicht existieren sollte. Der Bus schnauft ins Depot, das genauso öd und versifft ist wie das, aus dem wir abgefahren sind. Unsere Mitreisenden strömen hinaus in die Straßen und wir folgen ihnen. Obwohl es ein später Februartag ist, hängt in der Luft eine schwüle Wärme und ein Hauch von Aggression.
    Gonzo und ich haben Kohldampf, also suchen wir uns ein Lokal in der Nähe des Depots. Wir landen in einer Touristenkaschemme mit einer Menge Plastikalligatoren an der Wand und Mardi-Gras-Girlanden, die von sämtlichen Haken herunterhängen. Der Laden ist laut und dazu noch überfüllt, es ist schließlich Faschingsdienstag. Nach einer höllisch langen Wartezeit führt uns die Bedienung an einen winzigen Tisch ganz hinten. Die Speisekarte ist riesig, achtundvierzig verschiedene Fischgerichte stehen drauf. Ich entscheide schnell und futtere mich durch die auf dem Tisch liegenden Cracker mit Butter. Gonzo versteckt sich noch hinter der Harmonikatür seiner Speisekarte. Er trommelt nervös mit den Fingern darauf herum. Eine Kellnerin mit hochtoupiertem blondem Haar stellt uns zwei Gläser Wasser vor die Nase. Sie trägt ein Armband mit ungefähr tausend Anhängern, die klimpern, wenn sie sich bewegt. Um ihren Hals hängt ein Kreuz von der Größe Rhode Islands.
    »Was kann ich euch Kumpels bringen?«, fragt sie und zückt Notizblock und Stift.
    »Boudreax’s Fischteller mit Pommes«, sage ich.
    »Pommes mit Ketchup?«
    »Ja, bitte.«
    Gonzo legt die Speisekarte schließlich weg. Jetzt bemerkt die Kellnerin seine Kleinwüchsigkeit. Sie sackt für ein paar Augenblicke zusammen, dann aber kommt das gezwungene Lächeln zurück.
    »Und was ist mit dir, Schätzchen?«
    Gonzos Augen sind groß wie Untertassen. Er schwitzt und hustet ein bisschen und zieht an seinem Kragen. Ich fühle einen Paniktsunami heranbrausen, obwohl ich nicht weiß, warum das gerade jetzt passieren muss.
    »Entschuldigen Sie«, sagt Gonzo. Er hält die Karte vor sein Gesicht. Das behindert zwar nicht die Sicht der Kellnerin, lässt ihn aber wie einen Idioten

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