Ohne Ende Leben - Roman
Vorhang einen Spalt auf. Gonzo schläft mit offenem Mund und schnarcht leise. Unterm Kinn liegt eine zerknitterte
Captain
Carnage
-Videospielanleitung.
»Du würdest der Allgemeinheit einen wertvollen Dienst erweisen.«
»Nein, nein und noch mal nein.« Ich zähle die Gründe auf, weshalb das eine schlechte Idee ist. »Erstens: Er ist ein notorischer Schwätzer. Zweitens: Er telefoniert ungefähr fünf Mal am Tag mit seiner Mom. Drittens: Er schnarcht. Viertens ist er ein totaler Hypochonder und glaubt, dass ihn alles umbringen wird.«
Dulcie zuckt mit der Schulter. »Nobody’s perfect.«
»Vor Kurzem hat er behauptet, dass beim Herstellen von Toilettenpapier Chemikalien verwendet werden, die zu Mastdarmkrebs führen können. Also bringt er jetzt morgens seinen Geheimvorrat an spezialrecycelten Klorollen mit. Er wird niemals Ja sagen.«
»Bevor du ihn nicht fragst, wirst du’s nicht wissen. Übrigens ist sein Schicksal mit deinem verknüpft. Alles hängt mit allem zusammen.«
»So was wie Schicksal gibt’s nicht.«
»Ausgenommen ein zufälliges Schicksal.«
»Das ist … Irrsinn.«
»Ja.« Sie grinst. »Irrsinn. Scharfsinn. Schwer zu entscheiden. Sieh mal, Cameron, ich bin nur ein Bote. Ich weiß nicht alles. Aber eins weiß ich: Dir wird eine Chance gegeben. Ergreif sie und du wirst vielleicht überleben. Wenn duhierbleibst, wirst du todsicher sterben.« Dulcie knuddelt Mr Bubbles und streicht ihm mit den Fingern durchs Samtfell. »Was meinst du? Du und Gonzo, ihr fügt die Puzzleteile zusammen, findet Dr. X, werdet kuriert, rettet das Universum. Abgemacht, Cowboy?«
Mein Kopf tut weh; es ist fast Zeit für meine Schmerzmittel. Wo ist Glory? Ich möchte mich für eine Weile einfach nur ausklinken. Nichts denken, nichts fühlen. Ich drehe mich auf die Seite, weg von Dulcie. »Ich denk drüber nach.«
»Okay.« Dulcie neigt sich über mich und klemmt mir die Katze in die Armbeuge. »Aber, Cameron? Denk nicht zu lang drüber nach.«
Nacht
Mom und Dad und Jenna sind hier. Sie lagern um mich herum und gucken irgendeine stumpfsinnige Episode einer noch stumpfsinnigeren Show auf
YA! TV
namens
Was ist dein Talent?
. Kids müssen Fragen beantworten, um zu beweisen, dass sie mehr als irgendjemand anders über ein besonders hirnrissiges Thema wissen. Und wenn sie zu viele falsche Antworten geben, werden sie in einen Pool, voll mit einem übel riechenden Igitt, getaucht.
»Alter«, flüstert Gonzo und wendet seinen Blick nicht vom Bildschirm, »Alter, hast du jemals
Doppeltes Risiko
gesehen?«
Ich schüttle den Kopf. Mein Schädel pocht, und ich kann nicht anders, als an das zu denken, was Dulcie mir gesagt hat. Daran, dass diese Prionen, die mein Gehirn attackieren, geheimnisvolle Agenten aus einer anderen Welt sind. Es wäre so schön, all diese Gedanken mit einer dicken fetten Dosis Schmerzmittel auszulöschen, aber ich kriege frühestensin einer Stunde was, sagt Glory, die … hier war. Wann? Ich weiß es nicht.
»Geil! Einmal sollte dieser Typ seinen Arsch rasieren – im öffentlichen Fernsehen, landesweit! Und der Kerl hat’s getan! Die Leute waren völlig aus dem Häuschen.«
Wann kriege ich meine Schmerzmittel? Ich könnte die Minuten zählen. Könnte schlafen und nicht aufwachen. Ich könnte hierbleiben und auf das Unausweichliche warten.
Die Welt retten. Unmöglich. Irrsinn.
Trotzdem.
Heilung. Ich könnte geheilt werden. Das hat sie gesagt. Und in mir wachen ein paar kleine Atome auf und verbinden sich zu einer Frage, die ich nicht abschütteln kann: »Zum Teufel, warum nicht?«
Ich könnte eine Chance haben.
Und eine Chance ist besser als nichts.
KAPITEL SECHZEHN
In dem ich den Zwerg zu überzeugen versuche, auf die Annehmlichkeiten von recyceltem Toilettenpapier zu verzichten, um mit mir zusammen vielleicht, vielleicht auch nicht, die Welt zu retten
Sobald meine Familie zum Abendessen rausgegangen ist, weil sie glaubt, ich sei eingeschlafen, wecke ich Gonzo.
»Hey, Alter. Was’n los?« Er setzt sich auf und wischt sich den Sabber aus den Mundwinkeln. Die Druckerschwärze seiner Videospielanleitung, auf der er eingeschlafen ist, hat sein halbes Gesicht verschmiert. Das also ist der Partner, von dem Dulcie meint, ich sollte mit ihm auf Achse gehen? Heilige Scheiße!
»Ähm, hör mal, ich weiß, das klingt jetzt total bescheuert, aber ich hatte diese, ich weiß nicht genau, wie du’s nennen willst, vielleicht eine Vision.«
»Was für ne Vision?«, fragt er und
Weitere Kostenlose Bücher