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Ohne Ende Leben - Roman

Ohne Ende Leben - Roman

Titel: Ohne Ende Leben - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Libba Bray
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zusammen und flüstern, wie Mädchen das eben tun. Das liegt in ihrer DNA.
    Ich schlendere im Haus umher. Die Küche wurde zur Strip-Poker-Bar umfunktioniert. Eins der Mädchen trägt nur noch BH und Jeans. Ein Kerl sitzt da in seinen kleinen Weißen. Ich grapsche mir eine Handvoll Chips und steuere das Wohnzimmer an. Die Typen stehen in Gruppen herum und beäugen die Mädels, die auf den Sofas sitzen, trinken und quatschen und darauf warten, dass die Typen sie anmachen und abschleppen. Und die, die es geschafft haben, verschwinden in den Hinterzimmern und kommen nicht mehr heraus. Ein armer Kerl liegt bewusstlos auf der Couch und seine Freunde schreiben ihm mit Permanentmarker WICHSER quer über die Stirn. Im Fernsehen laufen Nachrichten. Wie gelähmt verfolge ich Bilder von Bränden, die irgendeine Stadt heimsuchen. Ich wünschte, ich könnte hören,was der Nachrichtensprecher sagt. Ich sehe nur den beschissenen Tickertext, der was von
mussmaliger Brennschichtung
bringt, was wahrscheinlich »mutmaßliche Brandstiftung« bedeuten soll. Auf dem Bildschirm tauchen schnauzbärtige Typen mit verspiegelten Sonnenbrillen auf, die sich Notizen machen. Dann schaltet irgendjemand zum Wrestlingkanal um.
    Ich drücke die Fliegengittertür auf und trete hinaus in den Garten, wo es überwiegend ruhig zugeht. Von hier aus kann man die Sterne sehen. Ein lächelnder Gartenzwerg – so einer wie auf Dads Fotos – bewacht einen Steingarten. Dieser Zwerg ist fast einen Meter groß, hat weißes Haar und einen weißen Bart, rote Wangen und trägt einen Wikingerhelm, braune Hosen und ein Kettenhemd.
    Ich habe keine Ahnung, wo ich bin oder wie, verdammt noch mal, ich zum Motel zurückkommen werde. Gut, dass Gonzo ein robuster Tiefschläfer ist, denn wenn er aufwachen und bemerken würde, dass er allein im Zimmer ist, wäre eine ausgewachsene Panikattacke die Folge. Ich trete zurück und werfe dabei versehentlich den Gartenzwerg um.
    »’tschuldigung, kleiner Kerl«, sage ich und richte ihn wieder auf.
    »Ich ziehe es vor, nicht als ›kleiner Kerl‹ bezeichnet zu werden.«
    Das Gras muss besser gewesen sein, als ich dachte, weil ich schwören könnte, dass der Gartenzwerg eben etwas gesagt hat. »Entschuldige, hast du gerade   –«
    »Es verletzt meine Würde. Bezeichne ich dich etwa als Bohnenstange? Nun, was ist?«
    Heilige Scheiße. Ich unterhalte mich mit einem Gartenzwerg.
    Irgendjemand brettert viel zu schnell die Straße entlang und rasiert dabei den Seitenspiegel eines Autos ab. Ich schaue mich um, aber niemand ist da, der mir das bestätigen kann.
    »Hast du das gesehen? Er hat nicht einmal angehalten«, sagt der Gartenzwerg, ohne sein munteres Lächeln zu verlieren. »Dieses Viertel geht den Bach runter.«
    »Wer   … wer bist du?«, krächze ich.
    »Mein Entführer – der Mann, der mich aus einem Verbindungshaus gestohlen hat – nennt mich Grumpy. Natürlich, er gehört auch zu der Sorte des gebildeten Gentlemans, der dich anpinkelt, wenn er besoffen nach Hause kommt, wenn du verstehst, was ich meine.«
    »Okay. Du magst den Namen Grumpy nicht. Wie möchtest du denn dann genannt werden?«, frage ich.
    »Ah, das ist eine Frage der Identität,
ágœtr
. Wer würdest du sein, wenn du nicht wüsstest, wer du bist? Wie gibst du deiner Seele einen Namen, deinen eigentlichen
sjálfr

    »Schau mich nicht an. Meine Eltern haben mich Cameron genannt, nach einem Schauspieler, den sie mochten.«
    »Genau. Dir ist mit der Geburt eine Identität zugewiesen worden. Dann läufst du den Rest deines Lebens mit dieser Identität herum und versuchst herauszufinden, ob sie wirklich zu dir passt. Du probierst die verschiedenen Identitäten an und lässt genauso viele wieder fallen. Aber in der Tat, es ist höchste Zeit, all diese falschen Rüstungen abzustreifen, um zu sehen, was wirklich darin steckt.«
    »Und was ist das?«
    »Ich weiß es nicht«, sagt er und klingt erschöpft. »Aber ich kann dir sagen, was es nicht ist: nämlich lächelnd im Garten von jemand anderem zu stehen, wo dich die Hunde beschnüffeln und dann an dir ihr Geschäft verrichten. Undmit Teenagern zu tun zu haben, die dich in der Nacht stehlen und dich mit in die Ferien nehmen, wo sie Fotos von dir machen, vor dem Matterhorn oder vor dem Eiffelturm oder vor einem Campingplatz, einfach nur so zum Spaß. Das ist es nicht!«
    »Es tut mir leid. Ich hab mich auf einer Party noch nie mit einem Gartenzwerg unterhalten. Eigentlich bin ich davon überzeugt, dass du nicht

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